ARCHIV FÜR AUTOBAHN- UND STRASSENGESCHICHTE

Asphalt, Beton & Stein | Brücken & Tunnel

BAB A10: Die Froschbrücke im Zuge des Berliner Rings

Die BAB 10, der Berliner Ring, überquert in der Nähe der Anschlussstelle Erkner zweimal das Flüsschen Löcknitz Das Autobahnbauwerk über die Alte Löcknitz (jetzt das Bauwerk 21 der A 10) wird an seinen vier Eckpunkten jeweils von einem überdimensionalen Frosch aus Kalkstein verziert. Jeder Frosch ist ungefähr einen Meter groß und wiegt ca. 1,5 Tonnen.

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Grasfrosch 1995

Im Zuge des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 11 (es beinhaltet den sechsstreifigen Ausbau der A2 von Hannover zum Berliner Ring und dessen Süd- und Osttangente) musste auch diese Brücke neu gebaut werden.

Alle Beteiligten waren sich einig, daß die Frösche auch an der neuen Brücke wieder ihren Platz haben müssen. Vorher waren sie jedoch einer Verjüngungskur zu unterziehen. In ihrem sechzigjährigen Leben hat sich auf ihnen einiges an Bewuchs und Ablagerungen niedergelassen. In jüngerer Zeit haben sich dann Schmierfinken und sogar ein "Waidmann" an den Fröschen versucht. Vor dem Abriss der Brücke wurden die Frösche demontiert.

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Grasfrosch 2002

Nach einem Zwischenstop in der Autobahnmeisterei Erkner, wurden sie vom Steinmetzmeister Horst Reigber aus Erkner restauriert und für ihr weiteres Leben an der Autobahn fit gemacht. Sie wurden imprägniert, um gegen schädliche Umwelteinflüsse gewappnet zu sein, und mit einem Graffittischutz versehen.

Die Frösche wurden nach Fertigstellung der Brücke unter reger Anteilnahme der lokalen Medien wieder zu ihrem angestammten Platz gebracht.

Ein Rätsel hatten uns die Frösche zum Anfang aufgegeben: Wer war der Schöpfer dieser Plastiken? Nach Auskunft des Steinmetzmeisters Reigber werden solche Werke normalerweise mit einer Signatur des Künstlers versehen. Bei unseren Fröschen fehlen diese. Im Zuge der Restaurierung der Frösche wollten wir deren Herkunft klären. Leider waren unsere Bemühungen zuerst nicht von Erfolg gekrönt. Die Nachfrage bei den Handwerkerinnungen hatte keinen Erfolg.

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Weitere Recherchen ergaben, daß die "PREUSSAG" in jener Zeit die Kalksteintagebaue im Nachbarort Rüdersdorf betrieben hatte. Dazu gehörte auch ein Betrieb zur Herstellung von Werksteinen. Dokumentiert ist auch, daß dieser Werksteinbetrieb unter anderem auch für diese Brücke Verblender geliefert hat. Da die Frösche in die damaligen Pläne eingezeichnet sind vermuteten wir, dass die Rohsteine ebenfalls aus den Werksteinbetrieb der "PREUSSAG" stammen.

Anfang des Jahres 2002 fanden wir in einer anderen Brückenakte vier Fotos der Frösche mit dem Vermerk "Bildhauer Julius Starcke".

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Die Recherche in den "Gelben Seiten" brachte uns Kenntnis von einem Bildhauer namens Hans Starcke. Ein Anruf genügte, um herauszubekommen, daß unsere Frösche von seinem Großvater Julius Starcke aus Berlin-Gatow geschaffen worden waren. Hans Starcke brachte uns dann in Kontakt mit seinem Vater Dietrich Starcke. Von diesem erfuhren wir viel über das Leben und Schaffen des Bildhauers Julius Starcke. Herr Starke stellte uns auch Bildmaterial über seine Familie und über die Frösche zur Verfügung. Nachfolgend einige Daten aus dem Leben des Bildhauers Julius Starcke:

  • Geboren 1895 in Stabeshöhe/Uckermark.
  • Besuch des Gymnasiums in Prenzlau.
  • Von 1910 bis 1913 Lehre in der Architektur- und Bildhauerei Schirmer in Berlin. Anschließend Besuch der Kunstgewerbeschule in Berlin.
  • Von 1914 bis 1919 Soldat in Frankreich, Polen, Rußland und dem Balkan.
  • Ab 1919 wieder an der Kunstgewerbeschule in Berlin. Hauptsächlich Tierstudien im Zoo. Viele 1. Und 2. Preise bei Wettbewerben.
  • Von 1920 bis 1923 Studium an der Kunstakademie München, ab 1923 Studium an der Kunsthochschule in Berlin.
  • 1923 Arbeit am Denkmal Friedrichs des Großen in Berlin, nachdem es während der Revolution von 1918 stark beschädigt worden war.
  • 1926 Arbeit zur Wiederherstellung der Quadriga auf dem Brandenburger Tor. In dieser Zeit Herstellung von Tierplastiken am Ischtar-Tor im Pergamonmuseum sowie am Märkischen Museum. Verkauf vieler Tierplastiken an den Staat und an private Käufer sowie Herstellung von Brunnen für Schulen.
  • 1925 Heirat. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.

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Julius Starcke und der "Alte Fritz"

  • 1936 erhielt der Bildhauer den Auftrag der OBR Berlin (Oberste Bauleitung Reichsautobahn Berlin), vier Frösche an der Autobahnbrücke über die Löcknitz aufzustellen. Danach Aufträge für die Reichsbank Baudirektion in Berlin und in Augersburg / Ostpreußen.
  • Von 1940 bis 1945 Leiter der Metallklasse an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin.
  • Ab 1943 Soldat. Ende März 1945 bei Rettungsarbeiten nach einem Luftangriff tödlich verunglückt.

Julius Starkes Sohn Dietrich (geb. 1929) ist seit 1950 als freier Bildhauer in Berlin tätig. Arbeiten am Reichstag, am Charlottenburger Schloß, für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, im Ägyptischen Museum am Tempel des Sahu-Re und Neuser-Re sind Stationen seines Schaffens. Außerdem führte er zahlreiche Aufträge für die Gartendenkmalpflege in Berlin aus.

Der Enkel Hans Starcke (geb. 1957, Sohn des Dietrich Starcke) ist seit 1980 ebenfalls freiberuflicher Bildhauer. Er führte unter anderem Aufträge der Gartendenkmalpflege und des Ägyptischen Museums in Berlin aus. Im Volkspark Mariendorf schuf er vier Kinderplastiken mit Tieren. An der Wiederherstellung beschädigter Denkmäler im gesamten Stadtgebiet war er beteiligt. Weitere große Plastiken aus Stein gehören zu seinen Werken.

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Familie Julius Starcke an der "Froschbrücke", ca. 1939

Damit das Rätsel um die Frösche nun endgültig für alle Interessierten und Beteiligten gelöst werden konnte, luden wir den Sohn des Bildhauers und die lokalen Medien, Märkische Oderzeitung und OSKAR-TV, zu uns in die Autobahnmeisterei ein.

Dietrich Starcke berichtete über die Entstehung der Frösche. Um die Frösche originalgetreu modellieren zu können, fing Julius Starcke Frösche als Modell. Seine Kinder mussten dann regelmäßig die Frösche wieder im Atelier einfangen, weil wohl Modell stehen (oder sitzen) in einem trockenen und staubigen Atelier nicht so der ideale Froschjob ist.

Wir konnten auch die Feststellung eines Grünheider Schulleiters widerlegen, der behauptet hatte, die Frösche seien von einem begabten Bauingenieur aus Betonresten des damaligen Autobahnbaus geschaffen wurden. Richtig ist: Die Frösche wurden aus Auer Kalkstein geschaffen.

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Das Rätsel um den Künstler, der unsere Frösche geschaffen hat, haben wir gelöst. Aber warum hat die OBR (Oberste Bauleitung Reichsautobahn) Berlin gerade für diese und nur für diese Brücke einen solchen Auftrag erteilt? Die Brücken über die Löcknitz und über die Spree bei Freienbrink, die nur wenige Kilometer entfernt sind, hätten sich eigentlich auch für eine so schöne Verzierung geeignet.

Text: Reinhard Arndt