Unmittelbar westlich des Autobahndreiecks Nossen, zwischen dem Reinsberger Ortsteil Hirschfeld und dem Nossener Stadtteil Eula, überquert die A4-West das Hirschfeldtal. Bild 01: Autobahnbrücke über das Hirschfeldtal am 31.12.2011, Foto: Th. Haubold
Die durch die Sächsische Straßenbaudirektion unter Leitung von Dr.-Ing. Artur Speck im Auftrag der GEZUVOR im November 1933 vorgeschlagene Linienführung der späteren Reichsautobahnstrecke 83 (Dresden – Chemnitz), sah eine nördliche Umfahrung der Stadt Nossen vor. Bei dieser Linienführung hätte die Autobahn nicht über das Hirschfeldtal geführt werden müssen. (Eine detaillierte Erläuterung zu dieser Variante folgt später mit einem separaten Artikel.) Die zweite untersuchte Linienführung entspricht etwa der Ausführungsvariante. Jedoch wollte Dr.-Ing. Speck das Hirschfeldtal unmittelbar nördlich des jetzigen Standorts der Talbrücke und noch südlich der Ortschaft Eula in dort flacherem Gelände umfahren und das kleine Gewässer mit einer Bachbrücke von lediglich 5 m lichter Weite überschreiten. Diese Linie wäre -natürlich mit den entsprechend geforderten Radien- in groben Zügen etwa der „Bäckerstraße“ gefolgt und noch vor dem Tal der Freiberger Mulde wieder auf die tatsächlich gebaute Trasse eingeschwenkt. Der Standort der Talbrücke über die Freiberger Mulde stellte aufgrund der Geländeverhältnisse einen Festpunkt ohne Alternative dar. Zusammengesetzte Auszüge aus den Messtischblättern 4945 „Roßwein“ und 4946 „Deutschenbora“ der Landesaufnahme Sachsen, Ausgabe 1936, ergänzt durch die rote Markierung der Hirschfeldtalbrücke. Maßstab 1 : 25 000 © Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung Sachsen 2012 www.landesvermessung.sachsen.de. Bearbeitung: Th. Haubold
Auch und gerade weil sich bereits im Jahre 1934 die Einstellung zu Großbrückenbauten an den Reichsautobahnen dramatisch geändert hatte, wurde die vorgeschlagene südliche Umfahrung Nossens im Bereich des Hirschfeldtals noch weiter nach Süden verdrückt und erforderte nun eine Talbrücke. Ein Vorteil dieser Trassierung sollte wiederum sein, dass der Bahnkörper nun etwa auf der Flurgrenze Hirschfeld – Eula entlang führte. Somit machte es sich nicht erforderlich, zu südlich der Bahn „liegen gebliebenen“, also durch den Bahndamm abgeschnittenen Flurstücken Eulas Zugangsmöglichkeiten zu schaffen und damit den Eigentümern weiterhin die Zufahrt zu ermöglichen. In anderem Falle hätten hier nämlich weitere Bauwerke in Form von Über- oder Unterführungen errichtet oder die Eigentümer anderweitig entschädigt werden müssen (Grundstückstausch oder -kauf), da ein Überschreiten/Überfahren der Autobahn nicht gestattet war. Brückensystem und BauausführungDer Entwurf des Bauwerks erfolgte durch die OBR Dresden. Die Brücke wurde in zwei Teilbauwerke auf jeweils vier Pfeilern, die mit Sparöffnungen versehen wurden, sowie gemeinsamen Widerlagern geplant und ausgeführt. Das Tragwerk des Überbaus sollte pro Teilbauwerk aus jeweils zwei durchlaufenden Stahlblechträgern bestehen. Ansicht von Nordwest und Grundriss
Da das Bauwerk in einer langen Krümme zu stehen kam, musste es dieser folgend in einem Radius von 1200 m angelegt werden. Dies erforderte wiederum ein Quergefälle der Fahrbahn und schließlich des gesamten Überbaus von 5,6%. Querschnitt am Pfeilerpaar III mit den Festlagern. Zeichnungen entnommen aus „Die Bautechnik“ 1937, Sammlung Th. Haubold
Die Gründungs- und Maurerarbeiten erfolgen durch die Fa. Max Gotthilf Richter & Co. Beton und Eisenbetonbau, Niederlassung Dresden. Die Lieferung und Aufstellung der Stahlbauten oblag der Mitteldeutschen Stahlwerke A.G., Lauchhammer. Bild 02: Fragment einer Bauzeichnung der Fa. Max Gotthilf Richter mit Eingangsstempel der Reichsautobahnen Bauabteilung (BAR) Nossen sowie dem Ablagestempel älteren Ursprungs, der die Bauabteilung noch als eine von Kraftfahrbahnen (BAK) bezeichnet. Archiv LASuV Sachsen
Bild 03: Herbst 1936 Errichtung des Überbaus durch die Mitteldeutsche Stahlwerke A.G., Lauchhammer, Foto: Sammlung Jürgen Gauernack, Nossen
Bild 04: Herbst 1936 Die im Freivorbau montierten Hauptträger haben das Pfeilerpaar I erreicht. Sie streben nun dem Widerlager 0 (WL Dresden) entgegen. Foto: Sammlung Jürgen Gauernack, Nossen
Sowohl die Widerlager als auch die Pfeiler erhielten eine Natursteinverblendung aus graublauem Lausitzer Granit in Form von unregelmäßigem Bossenmauerwerk in den Flächen quer zur Brückenachse sowie regelmäßigem Schichtmauerwerk aus bearbeiteten Quadern an den Schmalseiten, Sparöffnungen und Kanten. Die Auflagerbänke der Pfeiler und Widerlager führte man in gespitztem Sichtbeton aus. Weitere Angaben zum Bauwerk
Bild 05: Die Hirschfeldtalbrücke im Jahre 1937 mit Blickrichtung Nordost, Ansichtskarte des Verlags Reinhard Rothe, Meißen, Sammlung Th. Haubold
Bild 06: Herbst 1968 – Die Hirschfeldtalbrücke im morgendlichen Dunst fotografiert durch das Ing.-Vermessungswesen Dresden im Auftrag des SSUB Halle, Archiv LASuV Sachsen
Die Fahrbahn wurde – wie die gesamte Strecke – Anfang der 70er Jahre erneuert. Hierbei erfolgte auch ein Austausch der Fahrbahnübergänge, also der Dehnfugen zwischen Überbau und Widerlagern. Bild 07: 1974 – Erneuerung der Fahrbahn sowie der Fahrbahnübergänge, Blick über die Richtungsfahrbahn Eisenach Richtung Nordosten, die Fahrbahnplatte des Überbaus ist bis auf die nun frei liegenden Buckelbleche entfernt worden, die Arbeiter bereiten das Tragwerk der Brücke für die Installation der neuen Dehnfuge vor. Fotograf: Ing. Arnold (SSUB Halle), Archiv LASuV Sachsen
Bis auf die große Rekonstruktionsmaßnahme der Fahrbahn Anfang der 70er Jahre sowie Reparaturarbeiten, insbesondere an der Fahrbahn und der durch Anprall und Durchfahren beschädigten Geländer blieb die Brücke bis Mitte der 1990er Jahre in ihrer Gesamtheit erhalten. Bild 08: Sommer 1992 – Die Hirschfeldtalbrücke von Süden fotografiert vom Fotoatelier Rolf Günther, Dresden im Auftrag des Autobahnamtes Sachsen, Archiv LASuV Sachsen
Im September 1994 begann im Rahmen des sechsstreifigen Ausbaus der BAB A4 (VDE Nr. 15) auch ein umfassender Umbau dieser Brücke. Zu diesem setzte sich die DEGES die Vorgabe, die Brücke in ihrer überaus gelungenen Erscheinung zu erhalten, also wenn möglich die Unterbauten (Pfeiler und Widerlager) weiterhin zu nutzen und die vollständig neuen Überbauten auch optisch gut mit der vorhandenen Bausubstanz zu kombinieren. Dazu musste zwangsläufig die vorhandene Substanz den neuen Erfordernissen (z. B. veränderte Trassierung, erhöhte Traglasten der Pfeiler und Anpassung an eine völlig andere Tragwerkskonstruktion, begehbare Widerlager) angepasst werden. Selbstverständlich machte es sich während des gesamten Bauablaufs erforderlich, eine vierstreifige Verkehrsführung aufrecht zu erhalten, was diesen wesentlich mit beeinflusste. Bild 09: 03.03.1996 – Der alte Überbau ist entfernt und liegt in Teilen im Tal, das neue Bauwerk für die RFB Eisenach (noch ohne Verblendung der Pfeiler) nimmt während dieser Phase den gesamten Verkehr auf. Foto: Th. Haubold
Bild 10: 14.07.1996 – Die Pfeilerreihe der ehemaligen RFB Eisenach wurde den neuen Anforderungen angepasst und trägt nun den neuen Überbau der zukünftigen RFB Görlitz. Die Pfeilerreihe der ehem. RFB Görlitz geht der Abnahme des Verblendmauerwerks und schließlich dem Abriss entgegen. Foto: Th. Haubold |
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Bauablauf:
Grafik: Längsansicht von Südost und Querschnitt an einem Pfeilerpaar der neuen Brücke. Quelle: DEGES – Besondere Brücken 1997
Weitere Angaben zum Bauwerk:
Bild 11: Pfeilerreihe des südlichen Teilbauwerks mit der RFB Görlitz (ehemalige Pfeilereihe der RFB Eisenach) am 22.08.2010. Foto: Th. Haubold
Quellenverzeichnis:
Autor und Bildbearbeiter: Th. Haubold, 2012
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