ARCHIV FÜR AUTOBAHN- UND STRASSENGESCHICHTE

Asphalt, Beton & Stein | Brücken & Tunnel

BAB A4: Kratzbachtalbrücke bei Hainichen (Bauwerk 61)

Im Zuge der BAB4-West, Teilstrecke Dresden – Chemnitz (ehemals RAB-Strecke 83) überquert die Autobahn nördlich der Stadt Hainichen das Kratzbachtal, ein Seitental der Kleinen Striegis, die weiter östlich ebenfalls mittels einer Talbrücke überquert wird.

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Bild 1: Autobahnbrücke über das Kratzbachtal. Foto: Th. Haubold, 31.12.2011

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Auszug aus dem Messtischblatt 5044 „Frankenberg“ der Landesaufnahme Sachsen, Ausgabe 1941, ergänzt durch die rote Markierung der Kratzbachtalbrücke
Maßstab 1 : 25 000 © Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung Sachsen 2012
Nadel www.landesvermessung.sachsen.de.
Bearbeitung: Th. Haubold

Die ursprüngliche Planung der sächsischen Straßenbaudirektion unter Leitung des Dr.-Ing. Artur Speck im Auftrag der GEZUVOR, welche im November 1933 eingereicht wurde, sah eine weiter nordwestlich verlaufende Linie der Autobahn vor. Bei dieser Variante hätte man das Kratzbachtal etwa am Rande des Hainichener Waldes mit einem etwa 8 m hohen Erddamm überquert und den Bach lediglich in eine Rohrschleuse gelegt. Ein eigenes Bauwerk für den Bach (Brücke oder Durchlass) findet im Teilstrecken-Erläuterungsbericht keine Erwähnung.

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Auszug aus dem Lageplan der sächsischen Straßenbaudirektion, Maßstab 1:25 000
Gelb: geplante Linie vom 08.11.1933 - Schwarz: nachträglich ergänzte Ausführungsvariante.
Archiv des LASuV Sachsen

Die Linie wurde jedoch - beginnend am geplanten AD Nossen bis in die Kurve vor der AS Hainichen - nach Süden verlegt. Dabei nahm man in Kauf, nun fünf Talbrücken - nämlich die über das Hirschfeldtal sowie die Täler der Freiberger Mulde, der Großen und der Kleinen Striegis und das Kratzbachtal - errichten zu müssen.

Brückensystem und Bauausführung
Anfang Januar 1936 begann die Löser Bauunternehmung aus Dresden die Brücke zu errichten. Als System wählte man eine Eisenbetonbalkenbrücke, bestehend aus zwei Teilbauwerken auf jeweils drei zweistieligen Rahmenpfeilern. Der Unterbau für die Richtungsfahrbahnen sollte aus jeweils drei Eisenbetonbalken bestehen. Gemeinsame Widerlager bildeten die Endbauwerke, welche hinterfüllt wurden. Sämtliche Ansichtsflächen der Brücke beließ man schalungsrau.

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Längsansicht mit Lehrgerüst

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Brückenquerschnitt und Rahmenpfeiler
Zeichnungen entnommen aus „Die Bautechnik“ 1937. Sammlung Peter Gombar, Grafing

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Bild 2: Frühjahr 1936, die Brücke im Bau. Fotograf Gerhard Spitzner (1923 – 2001)

Die Fertigstellung der Brücke erfolgte Ende Juni 1936, also gerade sechs Monate nach Baubeginn!

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Bild 3: Detail einer Ansichtskarte des Verlages Neubert, Chemnitz, um 1937. Sammlung Th. Haubold

Die Gesamtkosten des Bauwerkes beliefen sich auf 283 000 RM (ohne Fahrbahndecke). Bei einer Brückenfläche von ca. 3000 m³ (von Hinterkante Widerlager 0 bis Hinterkante Widerlager IV) kostete der m² somit rund 94,35 RM.

Weitere Angaben zum errichteten Bauwerk:
Brückenmaße:
Länge des Überbaus: 100,0 m
Höhe über Talsohle: 18,0 m
Breite gesamt: 24,52 m
Stützweiten: 21,5 + 2x 27,5 + 21,5 m
Gefälle: 1 : 431

Aufsteller des Bauwerksentwurfes: OBR Dresden
Zuständige Dienststelle für die Bauausführung: OBR Dresden/Bauabteilung Nossen
Tag der Inbetriebnahme: 08.05.1937

Verarbeitete Massen:
3200 m³ Stampf- und Eisenbeton
265 t Rundeisen (Baustahl „St 37“)
1500 m³ Erdmassen bewegt
650 m³ Holz für Lehrgerüste und Schalung

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Bild 4: Das noch voll intakte Bauwerk im Jahre 1990. Foto: Peter Gombar, Grafing

Im Zuge des Ausbaus der Strecke von vier auf sechs Fahrstreifen mit Standspuren erfolgte von Juni 1997 bis August 1999 der Ersatzneubau und der vollständige Abriss des Altbaus aus dem Jahre 1936. An dessen Stelle trat nun eine Dreifeldbrücke, ebenfalls bestehend aus zwei Teilbauwerken mit gemeinsamen Widerlagern.

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Bild 5: Juli 1998, der Neubau des südlichen Bauwerkes ist abgeschlossen. Foto: Th. Haubold

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Ansicht (von Süden), Draufsicht und Querschnitt des Neubaus
entnommen aus dem Dokumentationsblatt zum BW61 beim LASuV Sachsen

Weitere Angaben zum Neubau:
System: einzelliger, begehbarer Spannbeton-Hohlkasten
Gesamtstützweite: 124,56 m
Gesamtbreite: 38,00 m
Brückenfläche: 4.733 m²

Zuständige Dienststelle für die Bauausführung und Aufsteller des Bauwerksentwurfes: DEGES, Berlin im Auftrag des FS Sachsen
Entwurfsbearbeitung: König, Heunisch und Partner, Frankfurt
Aufsteller der Ausführungsunterlagen: Ingenieurbüro Bung, Heidelberg
Bauausführung: Dyckerhoff & Widmann AG, NL Dresden und Nachunternehmen
Baukosten: 10,65 Mio. DM (2.250 DM/m²)

Quellenverzeichnis:
Planungsunterlagen zum Streckenabschnitt Hainichen – Chemnitz (1933)
(Gesamtbericht zur Strecke Dresden – Chemnitz – LG Thüringen mit Kostenzusammenstellung und Teilstrecken-Erläuterungsbericht mit Kostenanschlag, Lageplan, Längsschnitt),
Archiv LASuV Sachsen

Dipl.-Ing. König (OBR Dresden): „Die Kratzbachtalbrücke bei Hainichen im Zuge der Reichsautobahn Dresden – Chemnitz – Weimar“
in „Die Bautechnik“ 1937, Heft 31, S. 409 – 412, Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin
(mit Angaben zur Bauausführung, technische Daten, Details, Zeichnungen und Fotos)

Dokumentationsblatt BW61 (2002), LASuV Sachsen

Autor: Th. Haubold, Dresden 2012
Bildbearbeitung: Peter Gombar und Th. Haubold