ARCHIV FÜR AUTOBAHN- UND STRASSENGESCHICHTE

Asphalt, Beton & Stein | Brücken & Tunnel

BAB A9: Die Talbrücke über das Tal der Rippach bei Pörsten

Die Autobahn Berliner Ring - München überquert im Bereich zwischen dem Schkeuditzer Kreuz und dem Thüringer Bergland ab dem AD Rippachtal eine Vielzahl Bäche und Flüsse. Die Täler dieser Wasserläufe verlaufen oftmals in Ost-West-Richtung, sodass die Strecke mehrmals breite Täler auf Brücken überwinden muss. Eines dieser Täler ist jenes, welches der eher kleine und als harmlos einzustufende Bach Rippach in die Landschaft eingearbeitet hat.

Siedentop1 schreibt in einem Beitrag für die Zeitschrift »Die Straße«: "Das Flachland geht allmählich in mehr oder weniger zertaltes Hügelland über, das man geografisch bereits zum Thüringer Becken rechnen muß, von welcher Tatsache die für mitteldeutsche Verhältnisse immerhin bemerkenswerte Brücke Kenntnis gibt, die mit einer Länge von knapp 200 m und in einer durchschnittlichen Höhe von nicht ganz 20 m das Rippachtal überspannt und schon Fernsichten bietet.

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Bild 1: Talübergang bei Pörsten in der Nähe von Weißenfels im Bau.
Bildquelle: Die Straße, 3 (1936), H. 13, S. 395; Aufnahme: Else Hege

Im Zweiten Weltkrieg war die Rippachtalbrücke (oftmals auch fäschlicherweise als Pörstentalbrücke bezeichnet) durch Granateneinschläge beschädigt worden. Diese Schäden sowie der Verschleiß durch den starken Verkehr auf der wichtigen Transitstrecke hatten um 1988 ein Ausmaß erreicht, das dringend die umfassende Brückenreparatur forderte. Im Mitteilungsblatt des Staatlichen Straßenunterhaltungsbetriebs Autobahnen Halle (SSUB (A) "unsere autobahnen", Ausgabe Nr. 1/88, (S. 7)), einer Art Betriebszeitung, findet sich ein Artikel von B. Schweigel, BS-Ltr. Brücken- und Hochbau Weißenfels, unter der Überschrift "Hilfsstützenbau an der Pörstentalbrücke", der die getroffenen Reparaturmaßnahmen beschreibt:

Der größte Teil unserer Autobahnbrücken ist bereits älter als 50 Jahre. Mit der Zunahme der Verkehrsdichte und des schweren Verkehrs sinkt die Nutzungsfähigkeit der Brückenbauwerke. Dazu kommen wesentliche Schäden, resultierend aus fehlenden oder defekten Dichtungen, Tausalzanwendung, Stahlauswahl, um nur einige zu nennen.Hier jedoch durch einen Granattreffer am Längsträger hervorgerufen.
 
Einige unserer großen Autobahnbrücken weisen erhebliche Tragfähigkeitsminderungen auf und sind ohne Hilfskonstruktionen nicht mehr funktionsfähig.
 
In einem solchen schlechten Zustand befindet sich die Pörstentalbrücke bei Weißenfels. Die Tragfähigkeitsminderung ist einerseits durch Kriegseinwirkung an einem Hauptträger und andererseits durch Dichtungs, Fahrbahn- sowie Betonschäden gekennzeichnet.
 
Um das wesentlichste Tragglied, den Hauptträger, zu sichern, wurde 1987 beschlossen, eine 17 m hohe Hilfsstütze zu errichten. Die BS Brücken- und Hochbau wurde angewiesen, gemeinsam mit der NVA, diese Arbeiten durchzuführen. Die Hilfsstütze selbst bedarf einer ordnungsgemäßen Gründung. So wurde eine etwa 2,5 m tiefe Baugrube 10,5 m x 9 m ausgehoben. Dies ging jedoch nicht problemlos vor sich, da bei etwa 1 m unter Oberkante Gelände, Grund- und Schichtwasser die Erdarbeiten fast unmöglich machte.
 
Weiterhin erschwerte ein altes Fundament den Aushub. Mit Hilfe von zwei leistungsstarken Pumpen wurde die Baugrube entwässert. Danach wurde der bewehrte Unterbeton eingebracht und etwa 1,2 m unter OK Gelände eine stark bewehrte Fundamentplatte errichtet. Dazu war eine einzelne Matte in den Maßen 8,5 x 10,5 m aus Stahl, Durchschnitt 20 mm, zu fertigen.
 
Dann konnte die Platte betoniert werden. Anschließend wurde eine 25 cm Kiesschicht aufgetragen.
 
Die Fertigstellung der Kiesschicht war der Startschuß für den Einsatz von 40 Genossen der NVA Doberlug. Mit Hilfe des gesamten Fuhrparkes der BS Brücken- und Hochbau sowie der BS Weißenfels wurden die erforderlichen Pizmo-Elemente von Meerane unter die Pörstentalbrücke transportiert. Hier war eine zeitlich exakte Planung mit der NVA erforderlich, da Autokraneinsätze zur Be- und Entladung aller Teile erforderlich waren.
 
Auf der Montagefläche wurden alle Teile entladen und von den Soldaten teilweise vormontiert, danach gemäß Aufbauvorschrift zu einer Stütze zusammengefügt. Das Pizmo-Stützensystem besteht aus einer bestimmten Anzahl von verschiedenen Einzelelementen, die mit Schrauben und Muttern zu einer Stütze montiert werden können. Die Montage selbst ist sehr aufwendig, da alle Muttern mit Maulschlüsseln festgezogen werden müssen, größtenteils mit ungünstigen Arbeitsbedingungen. Für die Genossen der NVA war die Stützenmontage selbst Neuland, aber bereits nach zwei Tagen hatten sie sich ausgezeichnet eingearbeitet und durch eine optimale Vormontage einen täglich sichtbaren Baufortschritt erzielt.
 
Ab einer Höhe von 8 m war die Montage mit dem ADK nicht mehr möglich, so daß von der NVA ein MDK 50 (50-t-Kran) bereitgestellt wurde. So konnte die Stütze innerhalb 10 Tagen, bis auf den Stützenkopf, fertiggestellt werden. Damit war der Einsatz der NVA abgeschlossen. Mitte September wurde dann gemeinsam mit den Genossen der NVA Richtfest gefeiert und beide Seiten brachten die gute Zusammenarbeit bei der nicht immer problemlosen Stützenmontage zum Ausdruck.
 
Es war ein gutes Beispiel für das kameradschaftliche Zusammenwirken zwischen NVA und Kollegen unseres Betriebes. Damit waren die Bauleistungen an der Pörstentalbrücke jedoch nicht abgeschlossen. Von Wittenberg mußten etwa 300 t Trägermaterial nach Weißenfels transportiert werden.
 
Durch Konzentration von Transportkapazitäten wurden innerhalb einer Woche der gesamte Stapelträger unter dem Bauwerk eingelagert. Nach örtlicher Anpassung konnte Anfang Dezember der schwierigste Teil, die Stützenkopfmontage erfolgen.
 
Nach Vollsperrung beider Richtungsfahrbahnen und guter Vorbereitung konnte innerhalb von 10 Minuten der Kopfträger eingebaut werden.
 
Damit war die Leistung Stützenmontage abgeschlossen. Eine sichere Befahrung der Brücke ist wieder möglich. Wir möchten auf diesem Wege nochmals allen Kollegen danken, die dazu beigetragen haben, die Baumaßnahme termingerecht abzuschließen.
 
Besonderen Dank den Kraftfahrern und Maschinisten der BS Brücken- und Hochbau, die in ihnen fremden Gewerken eine gute Qualität erbracht haben.

Das Provisorium zur Abstützung der Rippachtalbrücke blieb so bestehen, bis nach der politischen Wende in der DDR und der nachfolgenden deutschen Wiedervereinigung auch für die nunmehrige Bundesautobahn A9 "eine neue Zeit" anbrach. Im Zuge der Erweiterung der BAB A9 von 2 x 2 auf 2 x 3 Fahrspuren wurde auch die Erneuerung der Talbrücke bei Pörsten vorgenommen. Die Pfeiler aus den Jahren der Erbauung der Brücke erwiesen sich als solide und den künftigen Belastungen gewachsen. Lediglich eine Verbreiterung an jeder Pfeiler-Außenseite machte sich erforderlich.

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Bild 2: Das Rippachtal mit der Talbrücke bei Pörsten in der Nähe von Weißenfels nach der Erweiterung auf 2 x 3 Fahrspuren je Richtungsfahrbahn

Die Verbreiterung der Pfeiler wurde in der gleichen Art als Bossenquaderung verkleidet, wie die Oberfläche der ursprünglichen Pfeiler.

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Bild 3: Deutlich heben sich die Verbreiterungen an den Pfeiler-Außenseiten durch ihre hellere Färbung ab. Der Effekt gestrichelter weißer Linien ergibt sich wegen des zwischen den Richtungsfahrbahnen durchscheinenden Sonnenlichts.

Ursprünglich befanden sich zu beiden Seiten der Brücke auf dem Brückenkopf des nördlichen Widerlagers Parkplätze. Diese bestanden auch noch bis in die 1990er Jahre. Mit dem Umbau der Strecke als Verkehrsprojekt Deutsche Einheit des Landes Sachsen-Anhalt wurden diese unmittelbar an die Fahrbahnen anschließenden Parkplätze einerseits wegen der nunmehr zusätzlichen Fahrspuren, andererseits aus Sicherheitsgründen (zwischen den Parkplätzen und den Fahrbahnen war keinerlei Schutzfläche vorhanden) aufgegeben.

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Bild 4: Blick zum nördlichen Widerlager

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Bild 5: Blick zur Brücke von der westlichen Seite aus

Quellenverzeichnis:

1 Siedentop, Irmfried: »Die Straße« 3 (1936), H. 13 S. 394

Text: H. Schneider, Naumburg (Saale) 10/2012
Bild 1: »Die Straße« 3 (1936), H. 13 S. 395
Bilder 2 - 5: Autor, 12.08.2012