ARCHIV FÜR AUTOBAHN- UND STRASSENGESCHICHTE

Asphalt, Beton & Stein | Brücken & Tunnel

BAB A9: Erste Wiederherstellung der Autobahnbrücke über die Elbe bei Vockerode 1946

Die Autobahn Berliner Ring - München überquert in ihrem Verlauf mehrere größere Ströme und Flüsse. Einige, wie beispielsweise die Saalebrücke bei Hirschberg, reichen als Talbrücken von einem Hang hinüber zum anderen. Andere, wie die im Folgenden behandelte Brücke über die Elbe bei Vockerode, müssen nicht nur den Fluss selber überspannen. Das Elbetal im Bereich Dessau - Lutherstadt Wittenberg bildet eine breite Niederung. Diese wird im Süden von der Leipziger Tieflandsbucht und im Norden von den Höhen des Fläming begrenzt. Die Elbe ist einer der wenigen deutschen Flüsse, die in ihrem Verlauf naturbelassen sind und deren Überschwemmungsgebiete rechts und links der Flusslaufes bei der Überführung durch ein Brückenbauwerk den zusätzlichen Bau von Vorlandbrücken erfordern. Von der Höhe des Fläminghanges bei Coswig/Elbe herunterkommend, verläuft die BAB A9 bis zur Elbe auf einem Damm. Ebenfalls geht der Verlauf auf einem Damm weiter, da südlich der Elbe noch ein größeres Feuchtgebiet mit mehreren kleinen Wasserläufen sowie die Mulde zu überqueren sind.

Am Ende des Zweiten Weltkrieges glaubte man, den Vormarsch der alliierten Truppen durch die Sprengung verkehrswichtiger Bauwerke aufhalten zu können. So wurde auch die Autobahnbrücke bei Vockerode Opfer der wahnwitzigen Idee vom Endsieg.

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Abb. 1: Die abgestürzten Vorland-Überbauten der Elbebrücke Vockerode. Im Vordergrund sind erste eingerammte Pfähle zu erkennen, welche das Hubgerüst zum Heben der Brückenteile aufnehmen sollen.

Wie das Verkehrsproblem des Elbeübergangs in den ersten Monaten nach dem Krieg gelöst wurde, wird in dem Buch "Unsere Straßen" des TRANSPRESS VEB Verlag für Verkehrswesen, 1963, beschrieben. Dort heißt es im Abschnitt "Entwicklung des Straßenbrückenbaues", Teil "Menschen und Brücken nach dem Hitler-Chaos" (die Nummern aller Abbildungen sind identisch mit den im Artikel genannten):

"Zwei Brücken, deren Wiederherstellung neben den üblichen Arbeiten noch besondere Eigenarten zeigten, waren die Autobahnbrücke über die Elbe bei Vockerode und eine Straßenbrücke im Bezirk Rostock.

Die behelfsmäßige Wagenfähre in der viel befahrenen Autobahnstrecke Berlin-Hermsdorfer Kreuz über die Elbe war besonders lästig, die Überfahrt zeitraubend. Deshalb wurde im Frühjahr 1946 die Aufgabe gestellt, eine feste Fahrverbindung bis zum 15.November des gleichen Jahres herzustellen. Der Bau sollte also einschließlich der Vorarbeiten in etwa 6 Monaten ausgeführt sein.

Die alte Elbebrücke war ein Stahlüberbau mit 2 Hauptträgern bei rund 22 m Breite; die Stromöffnung von 126 m Stützweite und die nördlichen Vorlandöffnungen waren gesprengt und abgestürzt (Abb. 7). Um die Elbe schiffbar zu machen hatte die Wasserstraßenverwaltung aus dem abgestürzten Stromüberbau große Teile soweit herausgeschnitten, dass eine Rinne für die Schifffahrt frei war, die übrigen Teile aber im Strombett belassen.

Die Vorplanung wurde an einem Frühsommertag an Ort und Stelle erarbeitet. Eine Anregung, den nördlichen Brückenabschnitt mit etwa 340 m Länge neben der alten Brücke in der üblichen Holzbehelfskonstruktion herzustellen, scheiterte an der Beschaffung so gewaltiger Holzmengen. Seitens der Verwaltung wurde deshalb der Vorschlag unterbreitet, die Vorlandüberbauten zu heben und in ihrer brauchbaren Länge auf alte Pfeiler und neue Zwischenpfeiler abzusetzen. Die relativ geringen fehlenden Längen und die Stromüberbauten - unter Verkürzung der Stützweite durch ein oder zwei Zwischenjoche - sollten vorerst als Holznagel- oder Holzfachwerkträger ausgebildet werden. Die Stahlbaufirma Beuchelt erklärte sich bereit, das Wagnis der Hebung zu unternehmen, wenn ihr von dritter Seite die Hubtürme geliefert würden, da der Betrieb zwar über die Erfahrungen seiner Ingenieure, Monteure und einer guten Stammannschaft, aber außer einigen Pressen nur über Kleingerät verfügte. Die einzelnen zu hebenden Überbauteile ergaben Hublasten von etwa 1000 Mp, erforderten also für die Hilfsgerüste und auch für die Zwischenauflagerung schon ansehnliche Konstruktionen. Die teilweise tiefe Lage der abgestürzten Überbauten (Abb. 8) und das Bemühen, die Fahrbahn möglichst nicht zu beschädigen führten dazu, je nach dem vorhandenen Raum, verschiedene Gründungsverfahren zu wählen (Flachgründungen, Ramm- oder Bohrpfähle). Behelfsfundamente für die Hubgerüste bzw. für die Gerüste zum vorläufigen Absetzen waren auch erforderlich. Die Arbeiten wurden nach Entwurfsskizzen der Verwaltung und der Bauleitung durchgeführt. Das Heben der Überbauten mittels Lochstangen an den Hubgerüsten verlief nicht ganz ohne Zwischenfälle. So versagten die vorhandenen Dichtungsmanschetten der Pumpen ununterbrochen, bis endlich unter großen Schwierigkeiten neue Ledermanschetten beschafft werden konnten und damit eine zügige Hebung möglich war. Beim zweiten Überbau platzten mehrfach die Auflageraussteigungen an der Hubstelle aus und beim dritten Überbau wurden die Fundamente der Hubgerüste erst um etwa 40 cm in den Boden gedrückt, bevor der Überbau sich überhaupt rührte. Wie später durch Bohrungen festgestellt wurde, lag in dem sonst sandigen Untergrund ausgerechnet an dieser Stelle eine Faulschlammlinse.

Für den Stromüberbau stellte die Sowjetische Militäradministration (SMA) einen für den Saaleübergang Nienburg gefertigten aber noch nicht eingebauten Stahlfachwerküberbau von etwa 70 m Stützweite zur Verfügung. Durch diesen Überbau konnte die Holzbeschaffung erheblich eingeschränkt werden, andererseits brachte aber die Umarbeitung und die seitliche Montage - um die Arbeiten am Strompfeiler nicht zu behindern - zusätzlichen Aufwand. Die Brücke wurde trotz der geschilderten und vieler anderer Schwierigkeiten termingemäß für den Verkehr freigegeben.

Im Mittel waren etwa 500 Arbeitskräfte an dem Bauvorhaben tätig. Durch Zuweisung von Baustoffen, Treibstoff und Arbeitskräften hat die SMA nicht unwesentlich geholfen."

Abb. 2 (a bis e): Autobahnbrücke über die Elbe bei Vockerode.

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  1. Wiederhergestellte Brücke,
  2. Ansicht der Flut-Überbauten nach der Sprengung,
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  1. Hub-Vorgang des vom Widerlager gestürzten ersten Überbaues. Der Überbau wurde anschließend nach rechts auf das Widerlager zum Einlagern verschoben,
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  1. Hebung des dritten Überbaues. Das Hubgerüst und das linke Überbauende standen bei etwas höherem Wasserstand im Wasser,
  2. Lücke zwischen dem zweiten und dem dritten Überbau nach dem Herausschneiden der durch die Sprengung völlig zerfetzten Trägerteile. Die Lücke wurde durch Holznagelträger geschlossen. Gleiche Lücken befanden sich auch an den linken Enden der beiden anderen Überbauten

Quellenverzeichnis:

Neuber, Hans.: Unsere Straßen
Ein Überblick über die Entwicklung des Straßenwesens in der Deutschen Demokratischen Republik
TRANSPRESS VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1963
Manuskript abgeschlossen am 31. 3. 1962, Herausgeber: Ministerium für Verkehrswesen, Hauptverwaltung Straßenwesen

H. Schneider, Naumburg (Saale) 2012