1. Regelquerschnitte Der erste Regelquerschnitt, gültig von Oktober 1933 bis Dezember 1933, hatte eine Kronenbreite von 21,5 m, einen Mittelstreifen von 3,50 m und beidseitig ein unbefestigtes grünes Bankett von je 1,50 m. Auffallend ist die geplante Bepflanzung des Mittelstreifens mit Gebüsch als Blendschutz und der dort mittig angeordnete Entwässerungsgraben. ![]() Abb. 1: RQ 21,5; Jäger, S. 44; Zeichnung OBR Frankfurt, Oktober 1933 [Bundesarchiv Berlin, R4602/4013, Bl. 36]. [1]
Doch beim Bau stellte sich alsbald heraus, dass dieser Autobahnquerschnitt zu schmal dimensioniert war. Die erwartete Fahrgeschwindigkeit der Automobile erforderte mehr Großzügigkeit, denn die Widerlager der Straßen- und Eisenbahnüberführungen standen beim RQ 21,5 zu nahe an den seitlichen Rändern der Fahrbahn, die Brücken selbst erschienen als Betonmauern mit eingeschnittenen Öffnungen. So entstand der Regelquerschnitt RQ 23, gültig von Januar 1934 bis Mai 1934 [Bundesarchiv Berlin, R4601/5002, No. 18]. Die wichtige Neuerung bei RQ 23 war der nunmehr auf 5m erweiterte Mittelstreifen, bestehend aus einer 3 m breiten Grünfläche und zwei an den beiden Fahrbahninnen- und -außenseiten anschließende, 1m breite befestigte Randstreifen. ![]() Abb.2: RQ 23; Jäger, S. 45 [Bundearchiv Berlin, R4601/5001, No. 18, 31.01.1934]
Dieser rasche Wechsel von RQ 21,5 zu RQ 23 zeigt, dass es in der ersten Phase des Reichsautobahnbaus noch viele Unsicherheiten über die richtigen ingenieurtechnischen Lösungen gab. Zwischen den OBR und der Reichsautobahn-Direktion herrschte ein reger Austausch über die beim Bau gemachten Erfahrungen, die häufig neue Entscheidungen zur Ausgestaltung der Autobahntrassen nach sich zogen. Aber bereits 5 Monate nach Anordnung des RQ 23 war dieser Querschnitt schon wieder Geschichte. Mit Erlass vom17.05.1934 gab die RAB-Direktion reichsweit den vom Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen (GI) festgelegten neuen Regelquerschnitt RQ 24 vor [Bundesarchiv Berlin, R4601/5002, No. 68]. . Dieses Profil findet sich bei fast allen Reichsautobahnen, die ab Mitte Juni 1934 trassiert und fertig gestellt wurden. Neu war der 1 m breite Grünstreifen an den äußeren Rändern, der aus optisch-ästhetischen Gründen eingeführt wurde. Auf der anderen Seite teilte die neue Vorgabe den inneren, bisher 1m breiten befestigten Randstreifen aus Kostengründen in einen nur noch 0,40 m breiten, leicht befestigten Randstreifen und einen 0,60 m breiten Rasenstreifen. Dieses Profil wurde ab 18.06.1934 mit den ersten Fahrbahndeckenlosen auf der Baustrecke 34 Frankfurt/Main – Darmstadt realisiert. ![]() Abb. 3: RQ 24; Jäger, S. 46 [aus GI-Schrift „Die Reichsautobahnen – Grundsätzliches über Gestaltung, Baudurchführung und Betrieb, Berlin 1938, S. 29]
Nachdem 1938 mehr als 2.000 km Reichsautobahnen befahrbar waren, ergaben sich aus der Praxis neue Erkenntnisse. Unfallanalysen zeigten nämlich, dass etwa 70% aller schweren Unfälle auf den Reichsautobahnen durch defekte Fahrzeuge entstanden, die auf dem 1 breiten äußeren Randstreifen so unsachgemäß abgestellt wurden, dass sie noch in die rechte Fahrbahn hineinragten. Deshalb wurde mit GI-Erlass vom 16.07.1938 angeordnet, alle Hauptstrecken mit einem befestigten Randstreifen von 2,25 m zu versehen, der ein gefahrlosen Halten auf dieser separaten „Stehspur“ ermöglichen sollte, ohne den fließenden Verkehr zu beeinträchtigen (damals durften Kraftfahrzeuge maximal 2,50 m breit sein). So entstand der RQ 26,5 [Bundesarchiv Berlin, R4601/5012, No. 2035]. ![]() Abb. 4: RQ 26,5; Jäger, S. 46 [aus GI-Schrift „Die Reichsautobahnen – Grundsätzliches über Gestaltung, Baudurchführung und Betrieb, Berlin 1938, S. 29]
Diese neue Vorschrift galt insbesondere auch für „Gemeinschaftsstrecken“, also Autobahn-Teilabschnitten, über die der Verkehr von einer Hauptstrecke über einen Abzweig zur anderen geführt wurde (ein gutes Beispiel dafür ist das rund 3,5 Kilometer lange gemeinsame Autobahnstück zwischen Heumarer Dreieck und dem Kreuz Köln-Ost, auf dem die beiden Hauptstrecken A 3 und A 4 mit fünf Fahrstreifen plus Ein-/Ausfädelungspuren verlaufen). Doch auch diesem Profil war keine lange Lebensdauer beschieden. Laut GI-Erlass vom 28.01.1939 wurde der Regelquerschnitt 28,5 verbindlich für alle Haupt- und Nebenstrecken eingeführt [Bundesarchiv Berlin, R4601/5012, No. 2045]. Der einzige Unterschied zum RQ 26,5 lag darin, dass „aus Gründen der Flächenaufteilung“ das grüne Bankett auf beiden Außenseiten von bisher 1 m auf nunmehr 2 m vergrößert wurde. Aus Kostengründen war es erlaubt, bei großen Fluss- und Talbrücken auf das 2 m breite Bankett zu verzichten. ![]() Abb. 5: RQ 28,5; Jäger, S. 50 [Bundesarchiv Berlin, R4601/5012, No. 2045; Skizze Meffert, S. 262] [2]
Da auf sofortige Einführung dieses Regelquerschnitts bei allen laufenden Bauvorhaben gedrungen wurde, mussten die OBR in vielen Fällen improvisieren, denn bei hohen Dammschüttungen und in Einschnitten war die Vergrößerung des Grünstreifens an den Außenseiten der Fahrbahn nicht ohne weiteres möglich. Bei bereits fertiggestellten Unterführungsbauwerken wurde wegen des Versatzes am äußeren Böschungsrand aus Sicherheitsgründen auf dem befestigten 2,25 m breiten Randstreifen ungefähr mittig ein Schrammbord installiert.
2. Sonderquerschnitte Die am 19.06.1936 in Betrieb genommene Strecke 56 Elbing – Königsberg wurde mit dem RQ 24 errichtet, jedoch wegen des erwarteten geringen Verkehrsaufkommens nur mit einer Richtungsfahrbahn versehen [Bundesarchiv Berlin, R4601/1921, Bl. 56]. ![]() Abb. 6: Beispiel für Vorstufenausbau mit RQ 26,5 (nie realisiert); Jäger, S.52 [Skizze Meffert, S. 262]
Dieser so genannte ‚Vorstufenausbau‘ bereitete das Planum sowie die Widerlager aller Brücken einschließlich der Talbrücken für den Vollausbau vor, die großen Brücken erhielten jedoch nur eine Fahrbahn. Da der Betrieb im Gegenverkehr erfolgte, gab es allerdings eine Besonderheit: Die Richtungsfahrbahn Elbing – Königsberg bekam auch auf der dem künftigen Mittelstreifen zugewandten Seite einen befestigten Randstreifen von 1 m, um für beide Fahrtrichtungen gleiche Verhältnisse zu schaffen (in Bild 6 zu sehen; wegen RQ 26,5 ist der befestigte äußere Randstreifen 2,25 m breit). Der Baustrecke 56 folgten weitere Autobahnabschnitte im Vorstufenausbau: Baustrecke 61 Forst – Bunzlau und Baustrecke 63 Breslau – Gleiwitz der schlesischen Reichsautobahn sowie Baustrecke 84 Chemnitz – Hof. Die Strecke 61 Forst – Bunzlau wurde ab Juli 1936 zunächst nur mit dem Erdbau für die 7,50 m breite südliche Fahrbahn sowie zwei befestigten Randstreifen von 1 m angearbeitet [Bundesarchiv Berlin, R4601/1921, Bl. 25/27]. Doch bereits Ende September 1937 erging die Anweisung, den Erdbau nach ostpreußischen Vorbild auf den zweibahnigen Vorstufenausbau mit je 2 m breiten Randstreifen, davon je 1 m Grasnarbe, umzustellen [Bundesarchiv Berlin, R4601/997, Bl. 167]. Im Hinblick auf die Baustoffanlieferung für den Betondeckenbau wurde auf der Seite des künftigen Mittelstreifens ein 4,5 m breiter Randstreifen betrachtet [Bundesarchiv Berlin, R4601/997, Bl. 131]. Bei der Baufreigabe der Strecke 63 Breslau – Gleiwitz wichen die Autobahnbauer jedoch von dem bisherig praktizierten Vorstufenausbau ab, weil man sich von einer weiter reduzierten Bauweise zusätzliche Kosteneinsparungen erhoffte. Hier war tatsächlich ein einspuriger Erdbau vorgeschrieben, doch die Reduzierung der Baukosten hielt sich in Grenzen [Bundesarchiv Berlin, R4601/997, Bl. 167]. ![]() Abb. 7: Einbahniger Vorstufenausbau für die Strecke 63 Breslau - Gleiwitz, abgeleitet aus RQ 24; Skizze bei Jäger, S.53
Wegen der sehr beengten Platzverhältnisse wich die Endstrecke der schlesischen Reichsautobahn von Gleiwitz nach Beuthen bereits bei der Vorplanung von allen bekannten und angewendeten RQ-Normen ab. Vorbild für diesen Abschnitt war die Kraftwagenstraße Köln – Bonn. ![]() Abb. 8: Sonderquerschnitt SQ 15 für die Strecke 64 Gleiwitz - Beuthen; Skizze Meffert, S.262
Das dicht besiedelte und industriell stark genutzte oberschlesische Kohle- und Hüttenrevier zwang die Autobahnbauer, die rund 20 km der Baustrecke 64 auf engstem Raum zu errichten und dabei querende Grubenbahnen, Ortsverbindungs- und Werkstraßen, Feldwege sowie Wasserläufe und Entwässerungsgräben mit Über- bzw. Unterführungen zu überwinden. Wegen der zu erwartenden Bergsetzungen erhielt die Fahrbahn eine Decke aus Teerschotter, die schnell repariert werden konnte. Der Mittelstrich zur Trennung der beiden Fahrbahnen und die beiden befestigten Randstreifen wurden mit hellem Granitpflaster gegen die dunkle Teerdecke abgesetzt. Anmerkungen
Köln, im Januar 2025, Idee, Text, Scans und Gestaltung: Dr. Reiner Ruppmann
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