Die Idee für die Berliner Meilensteine hatte der Hamburger Verleger und CDU-Politiker, Gerd Bucerius. Er gehörte von September 1949 bis Februar 1962 dem deutschen Bundestag an und war während der ersten Wahlperiode 1949 – 1953 Vorsitzende des Berlin-Ausschusses. Seine Vorstellung ging dahin, auf allen Autobahnen im Abstand von jeweils 100 km einen Meilenstein zu platzieren. Die Mittel für die Aktion an den Autobahnen stammten aus dem Bundeshaushalt. Grundsätzlich sollten die vom Bund mit der Verwaltung der Autobahnen beauftragten Länder den Transport organisieren, das Fundament bauen und die Aufstellung durchführen. Bei der Ausweitung der Aktion auf die Bundes- und Landstraßen hatten die Kommunen hatten die Kosten für die Kilometerangabe und die Aufstellung zu übernehmen, doch gab es auch Ausnahmen von dieser Regel.
Der ehemalige Präsident des Bundes der Berliner und Freunde Berlins (BdBFB), Heico Last (1951 – 1998), nahm diese Idee sofort auf. Der BdBFB, mit tausenden von Mitgliedern in 160 Städten und Gemeinden Westdeutschlands vertreten, sorgte für die Verbreitung der als Solidaritäts- und Erinnerungszeichen verstandenen Meilensteine nicht nur auf den Autobahnen, sondern zusätzlich auch in den Städten und Gemeinden der Bundesländer. Der Begriff „MEILENSTEIN“ lehnt sich an die im früheren Preußen übliche Praxis an, die Postkutschenrouten mit Entfernungsangaben in (preußischen) Meilen zu versehen.
Das Meilenstein-Relief, ein das Berliner Stadtwappen symbolisierender, stilisierter Bär, schuf die Berliner Künstlerin Renée Sintenis im Jahre 1954. Als Vorlage nahm sie eine Bärenstatuette, die sie bereits 1932 geformt und in Bronze gegossen hatte. Ein Prototyp – ohne Kilometerangabe – ist in der Grünanlage vor der Renée-Sintenis-Grundschule am Laurinsteig in Berlin-Frohnau zu sehen Die Bären-Statuette von 1932, der sogenannte „junge Bär“, diente von 1953 bis 1959 als Siegestrophäe für die Berliner Internationalen Filmfestspiele. Ihm folgte 1960 ein neuer Berlinale-Bär, der sich aufgrund seiner markanteren Silhouette besser als Auszeichnung für ein hochrangiges Filmfestival eignete. Eine lebensgroße Fassung (Höhe 160 cm) dieses ‚Berlinale-Bären‘ wurde 1958 anlässlich des 70. Geburtstages von Renée Sintenis auf dem Mittelstreifen der heutigen A 115 bei Dreilinden nahe dem Zehlendorfer Dreieck aufgestellt. Zwei weitere Statuen dieser Art stehen in Düsseldorf (eingeweiht von Willy Brandt) und auf der Autobahn A9 bei München-Fröttmaning. [8]
Abb. 4 Die rekonstruierten südlichen Spittelkolonnaden und die Kopie der historischen preußichen Meilensäule an der Leipziger Straße in Berlin (Foto: www.wikipedia.org/Spittelkolonnaden)
Die Entfernungsangaben auf den alten preußischen Meilensteinen (Kilometersteinen) bezogen sich ursprünglich auf den „Nullpunkt“ von 1834, als der damalige Minister Rother „den Kandelaber auf dem Berliner Schlossplatz“ für Entfernungsmessungen bestimmte. Später setzten die Vermesser die Fahnenstange auf dem (roten) Rathaus als Nullpunkt fest. Die preußische Post berechnete ihre Fahrzeiten allerdings von der Hauptpost aus. Als Referenzpunkt für die Entfernungsangaben auf den „Berliner Meilensteinen“ wurde bewusst – obwohl in der „Hauptstadt der DDR“ gelegen – die Kopie der historischen preußischen Meilensäule vom ehemaligen Dönhoffplatz neben den rekonstruierten Spittelkolonnaden an der Leipziger Straße festgelegt. Die in diesem Zusammenhang häufig zu lesende Meinung, der Nullpunkt habe am Berliner Spittelmarkt gelegen, ist demnach falsch. Da jedoch alle drei „Nullpunkte“ nicht weit auseinander liegen, spielen die kleinen Entfernungsunterschiede keine Rolle. [9]
Spätestens mit der politischen Wende in der DDR verloren die „Berliner Meilensteine“ ihre Funktion. Ihre Bedeutung hatte aber schon im Kontext der westdeutschen Politik des „Wandels durch Annäherung" (an die DDR) in den 1970er Jahren nachgelassen. Ihre ‚Renaissance’ ist dem in Berlin ansässigen ‚Verein der Berliner Bärenfreunde e.V.’ sowie der von Herrn Michael Damm Frankfurt am Main, gegründeten ‚Initiative Denkmalschutz für Berliner Meilensteine’ zu verdanken. Diese Ehrenamtlichen haben inzwischen auf der ganzen Welt mehr als 300 ‚Bärensteine’ identifiziert und – sofern möglich – ihre Geschichte beschrieben. Zudem wurde für viele Meilensteine bei den zuständigen Behörden ein Antrag auf Denkmalschutz gestellt, da sie ‚Erinnerungsorte’ für die deutsche Teilung darstellen und insoweit von kulturhistorischer Bedeutung sind.
Das »Archiv für Autobahn- und Straßengeschichte« kooperiert in dieser Sache mit den genannten Institutionen und stellt auf seiner Website (www.strassengeschichte.de) nach und nach die Meilensteine an Autobahnen und Fernstraßen.
Es ist zu hoffen, dass die Straßenbauverwaltungen der einzelnen Bundesländer und der Kommunen die Berliner Meilensteine bei allfälligen Baumaßnahmen sichergestellen und in Abstimmung mit der jeweils zuständigen Denkmalschutzbehörde an einem geeigneten Ort wieder errichten.