ARCHIV FÜR AUTOBAHN- UND STRASSENGESCHICHTE

Schrifttum | Projekt 1/2015

Grundlagen für den modernen Straßenbau in Deutschland: Einleitung

Vorbemerkungen

Anfänge und Entwicklung des neuzeitlichen Straßenbaus in Deutschland sind selbst bei den Fachleuten heutzutage nicht mehr bekannt. Die Ereignisse liegen inzwischen mehr 90 Jahre zurück. Das »Archiv für Autobahn- und Straßengeschichte« hat deshalb ein Projekt „Grundlagen für den modernen Straßenbau in Deutschland“ gestartet, das zeigen soll, wie die deutschen Straßenbauer nach dem Ersten Weltkrieg Anschluss an den technischen Fortschritt bei Teer-, Asphalt- und Betonstraßen fanden und aufgrund eigener Fortentwicklungen innerhalb weniger Jahre zu den international führenden Nationen aufschlossen.

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Bild 1: Durchgangsstraße mit grobem Natursteinpflaster in Brandenburg an der Havel, um 1925

Die Geschichte des neuzeitlichen Straßenbaus ist auch die Geschichte der technikgetriebenen Auslagerung zuvor rein hoheitlicher Aufgaben an externe Bauunternehmen und deren zunehmende Spezialisierung. Das beschleunigte die Markteinführung von Produkt- und Prozess-Innovationen (Straßenbaugeräte, Verfahren an den Baustellen) und sicherte die Auslastung teurer Maschinenparks. Und es ist die Geschichte der Straßenbau-Ingenieure, die in dieser Zeit erste Anerkennung erfuhren und ihren Aufstieg erlebten.

Dieses Projekt erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es berücksichtigt ausschließlich zeitgenössische Publikationen in Heft- bzw. Buchform, in einigen Fällen auch Zeitschriften-Artikel, die von der Redaktion als exemplarisch für damalige Entwicklungen und Fortschritte im deutschen Straßenwesen angesehen werden. Aus Gründen einer übersichtlichen Präsentation im Internet konnten die kontroversen und zum Teil sogar hitzigen Diskussionen zur Modernisierung des Straßenwesens in den einschlägigen Fachzeitschriften (z. B. Verkehrstechnik) ebenso wenig berücksichtigt werden wie der heftige Streit zwischen der Reichsbahn und dem neuen Konkurrenten ‚Kraftverkehrswirtschaft’ um das Monopol des Gütertransports im Allgemeinen und die Frachtraten im Besonderen.

An dieser Stelle gilt unser Dank der Bibliothek der Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Köln für die hilfreiche Unterstützung des Projekts mit Rat und Tat.

Schwierige Startbedingungen

Der moderne Straßenbau in Deutschland begann unter höchst ungünstigen Voraussetzungen. Durch die großen Verluste an rollendem Eisenbahnmaterial während und nach dem Ersten Weltkrieg litt das Deutsche Reich unter einer riesigen Transportmisere. Die industrielle Produktion und die Versorgung der Bevölkerung mussten mit dem Einsatz von Lastkraftwagen (Lkw) bewältigt werden. Neben den Lkw begann in den großen Städten und Wirtschaftszonen auch der Aufstieg der Personenkraftwagen (Pkw).

Der schnelle Automobil-Verkehr setzte den damals noch zu rund 80 Prozent wassergeschlämmten Schotterstraßen in einem vorher nicht gekannten Ausmaß zu. Sie wurden vor allen Dingen durch die Hartgummi- und Eisenbereifung der Lkw buchstäblich zermalmt. Den Wegebauverantwortlichen war klar, dass sie diesem Zerstörungsprozess nicht mit den konventionellen Methoden des Straßenbaus und Straßenunterhalts begegnen konnten.

Selbsthilfe-Vereinigungen

Im Oktober 1921 gründete sich in Dresden der Deutsche Straßenbauverband (DStrBV) als Dach-Organisation aller deutschen Landstraßenbauverwaltungen. Ihre leitenden Beamten stimmten nunmehr länderübergreifend Straßenbaumaßnahmen ab, führten neue Straßenbaumethoden ein und verständigten sich über eine zweckmäßige Organisation des Straßenwesens. Zur Verbesserung des Wissens über den Verschleiß der Straßenoberflächen durch den Verkehr und die Wirtschaftlichkeit von verschiedenartiger Straßenbeläge errichtete der DStrBV bei Braunschweig eine Erprobungsstrecke, deren Versuchsfahrten zwischen 1925 und 1931 maßgeblich dazu beitrugen, neue Standards für den Straßenbau zu setzen.

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Bild 2: Herstellung einer Asphalt-Tränkmakadam-Decke durch Eingießen von heißem Bitumen in eine sorgfältig gewalzte Schotterdecke; anschließende Abdeckung mit feinem Splitt

Ebenso bedeutende Basisarbeit lieferten die diversen Arbeitsausschüsse der im Oktober 1924 in Berlin gegründeten Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau (STUFA). Hierbei handelte sich um einen vereinsmäßigen Zusammenschluss von Wissenschaft, Praktikern der deutschen Länder, Städte und Kommunalverbände, der Grundstoff- und Bauwirtschaft sowie Interessen-Verbänden. Zur Überwindung des großen Nachholbedarfs führte die Stufa ab 1924 mehrere Studienreisen nach England, in die Vereinigten Staaten von Amerika, Holland, Frankreich und die Schweiz durch, um das in diesen Ländern gesammelte Erfahrungswissen zum Asphalt-, Teer- und Betonstraßenbau zu übernehmen und den eigenen Fachgremien in Form von Reiseberichten zur Verfügung zu stellen.

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Bild 3: Walzen der Tragschicht für eine Asphaltstraße auf einer zuvor exakt planierten und feingekehrten Makadam-Unterlage
Methodische Modernisierung des Straßenbaus

Das im Zeitraum 1925 bis 1932 in Eigenverlagen (Deutscher Straßenbauverband, Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau), von Baustoffverbänden und Fachverlagen publizierte Schrifttum sowie die ab 1926 von der STUFA in loser Folge herausgegebenen Merkblätter für Asphalt-, Teer- und Beton-Fahrbahnen führten innerhalb weniger Jahre zur Modernisierung der Straßenbaumethoden in Deutschland.

Die Erkenntnisse der ersten reichsweiten Verkehrszählung auf Hauptstraßen 1924/25 lösten umfangreiche Straßenbau-Aktivitäten aus, die darauf gerichtet waren, vor allem die Linienführung sowie die Fahrbahnen der Straßen I. Ordnung („alle Hauptwegezüge zur Vermittlung des Durchgangsverkehrs in und zwischen Provinzen bzw. Ländern“) den Anforderungen des steigenden Kraftfahrzeugverkehrs anzupassen. Davon profitierten auch die Hersteller von Straßenbaumaschinen. 1926 wurden auf der AVUS in Berlin erstmals motorisierte Fertiger für den Einbau von Asphalt- und Betondecken erprobt.

Das Reichsverkehrsministerium unterstützte die Selbsthilfe-Vereinigungen nur projektbezogen mit finanziellen Zuwendungen. Der Straßenbau blieb weiterhin allein Ländersache. Zu seiner Finanzierung wurde allerdings ab 1. Juli 1922 die zweckgebundene Kraftfahrzeugsteuer eingeführt. Die Länder erhielten 96 Prozent des Aufkommens, während 4 Prozent die Reichsregierung für Verwaltungsaufwendungen einbehielt.

Das Projekt

Die hier vorzustellende Literatur wird aus systematischen Gründen in folgende Gruppen eingeordnet:

  1. Buchreihe „Der neuzeitliche Strassenbau“,
  2. Reise- und Erfahrungsberichte,
  3. Forschungsberichte und Denkschriften,
  4. Schriften der Selbsthilfe-Organisationen,
  5. Ausgewählte HAFRABA-Schriften,
  6. Schriften zum beginnenden Autobahnzeitalter.

Alle Schriften werden mit Buchumschlag oder Frontseite, Inhaltsverzeichnis und einem erläuternden Text, zum Teil auch mit Leseproben und/oder ergänzenden Details präsentiert, damit sich der Leser einen möglichst guten Überblick verschaffen kann.

Wegen ihrer großen Bedeutung für den Abschluss der Pionierarbeiten im deutschen Straßenbau zwischen 1924 und 1932 werden ausgewählten HAFRABA-Schriften sowie Schriften zur Kraftwagenstraße Köln - Bonn als vollständige Faksimile veröffentlicht.

Bildernachweis:
Bild 1: Die Autobahn, Heft 1 (1935), S. 20
Bild 2: Strassenbau-Aktien-Gesellschaft, Neuzeitlicher Strassenbau, Köln 1926, S. 35
Bild 3: Ebenda, S. 25
Wissenschaftliche Redaktion, Reiner Ruppmann, im Mai/Juni 2015