ARCHIV FÜR AUTOBAHN- UND STRASSENGESCHICHTE

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BAB A12: Die historische Tankstelle Fürstenwalde-Ketschendorf

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Ansicht der Tankstelle Fürstenwalde von der Autobahn aus.

Die Tankstelle Fürstenwalde oder, wie sie auch in manch älterer Publikation genannt wird, Ketschendorf, ist die einzige noch erhaltene Tankstelle nach einem Entwurf des Architekten Friedrich Tamms in Deutschland. Sie war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis 1960 nicht mehr in Betrieb, wie auf dem Foto anlässlich einer Streckenbereisung 1960 zu sehen ist.

Tankstelle 1960
Tankstelle Fürstenwalde, 1960. Aufnahme aus der Streckendokumentation des SSUB Autobahnen, 1969 (R015002).

Keller-1 Keller-2 Keller-3
Der Verlauf der Strecke 58 durch das Spreetal auf einem Damm machte es möglich, dass die Tankstelle auf einem bunkerähnlichen Keller steht. In diesem sind die Medien für den Betrieb des Objekts untergebracht. Gleichzeitig ist er als Luftschutzraum hergerichtet.
Fotos: R. Arndt, 10/2012

Die DDR-Zeitschrift »Der deutsche Straßenverkehr« veröffentlichte in ihrer Ausgabe 5 (1961) den nachfolgend wiedergegebenen Beitrag:

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"Neue Tankstellen".
Artikel in der Mai-Ausgabe 1961 über neue Tankstellen an Straßen und Autobahnen der DDR.

Nach dem Ausbau der BAB A12 ab Mitte der 1990er Jahre war eine Weiternutzung der Tankstelle im Dreieck der Abfahrt Fürstenwalde-West unter keinen Umständen möglich. Wegen der verkehrshistorischen Bedeutung der Anlage hatte sich das zuständige Brandenburgische Autobahnbauamt der Aufgabe einer denkmalgerechten Sicherung dieser einmaligen technischen Anlage gestellt. Es wurde eine denkmalpflegerisch exakte Konservierung des historisch wertvollen Bestandes vorgenommen, d. h., das im Grundriss dreieckige Gebäude ist in seiner verklinkerten Fassade mit Fenstern und Türen aus Holz instand gesetzt und die zugehörigen Natursteinstreifen freigelegt worden. Die für damalige Zeiten moderne Dachform aus Stahlbeton wurde von späteren Anbauten, wie Dachrinnen und Anstrichen befreit und nach dem Original auch in der ursprünglichen Funktionalität wieder hergestellt. Im Bereich um die Tankstelle sind die Flächen für Zapfsäulen und Öltheke instand gesetzt und detailgetreu in den Bordbereichen markiert worden.

Text/Fotos/Scan: R. Arndt, Jüterbog, 10/2012; H. Schneider 7/2016


Die Tageszeitung »Der Tagesspiegel« veröffentlichte am 31.07.1999 auf Seite 18 einen Artikel von Nikolaus Bernau über die Fürstenwalder Tankstelle, der hier mit freundlicher Genehmigung der Redaktion wiedergegeben wird:

"Erhaltung oder Abriss - Die denkmalgeschützte Tankstelle von Fürstenwalde an der A 12. Denkmal der Motorisierung soll Autobahnbau weichen
Unter Nationalsozialisten erbaute Tankstelle "Typ Fürstenwalde" an der A12 ist die letzte ihrer Art und steht unter Denkmalsschutz - Für Benzinverkauf uninteressant

Um zu Fuß zur Tankstelle zu kommen, muß man die Autobahnauffahrt entlang laufen Das ist zu Recht streng verboten, man schwitzt nicht nur, weil es so warm ist. Eine Besichtigung ist also nicht zu empfehlen. Doch der Reporter muß. Lastwagen auf dem Weg von Polen nach Berlin donnern vorbei. Einsam zwischen den Fahrbahnen steht an der Abfahrt der A 12 Fürstenwalde-Ketschendorf ein zartes Gebäude mit weitausholendem, fast fliegendem Dach. Getragen wird es von schlanken Säulen, darunter im Schatten ein verklinkerter Pavillon mit vergitterten weißen Fenstern und Türen.

Die Anlage entstand 1937 nach den Plänen von Friedrich Tamms. Er war in Berlin im Brückenbauamt tätig, baute unter Albert Speer mit an der Reichskanzlei Hitlers. Einer der wichtigsten Architekten der Nazizeit. Er hatte Mitte der dreißiger Jahre auch eine der für die Reichsautobahn gedachten Typentankstellen entworfen. Die kleine, elegante Anlage in Fürstenwalde wurde als erste errichtet, zugleich als erste Realisierung des "Typs Fürstenwalde".

Ironischerweise ist sie auch die einzige von den drei Typen, die in Deutschland bis heute erhalten blieb. Einzig bei Breslau stehen noch zwei weitere Exemplare. Die Fürstenwalder Tankstelle ist also ein einzigartiges Denkmal der Motorisierung, der privaten, wirtschaftlichen wie militärischen. Und für Ruth Klawun vom Brandenburgischen Landesdenkmalamt zeigt sie auch, daß die Klassische Moderne zumindest im Industrie- und Infrastrukturbau der Nazizeit überleben konnte.

Allerdings trafen diese Typenbauten damals schnell auf praktische Vorbehalte und ideologische Kritik. Sie seien zu eng für den wachsenden Verkehr, auch sollten Restaurants und Rasthäuser hinzukommen. Den Deutschnationalen aber stach das flache, "amerikanisch" geschwungene, "undeutsche" Dach ins Auge, erzählt Klawun. Sie sagten, es vertrage sich nicht mit der brandenburgischen Landschaft.

Spätere, größere Anlagen, etwa in Michendorf, entstanden dann auch im ,,Heimatstil" mit Butzenscheiben und Ziegeldächern. Bis Dezember 1995 war die Tankstelle in Betrieb. Von kleineren Umbauten abgesehen ist sie unverändert seit ihrer Erbauung, mit schmalen Fensterprofilen, dem gepflasterten Vorplatz und dem dünnen Stahlbetondach.

Minol sah sie als nicht konkurrenzfähig gegenüber den neuen Großtankstellen, und das Autobahnamt befürchtete, daß einer der landestypischen Raser irgendwann einmal mit voller Wucht gegen die Zapfsäulen schleudern würde. Seither steht die Tankstelle leer, das Gras wächst, noch sind die Regenleitungen und die Fenster in Ordnung.

Am 19. Februar 1996 wurde sie in die Denkmalliste des Landes Brandenburg eingetragen. Doch die "außergewöhnlich hohe architekturgeschichtliche Bedeutung" mit weit übernationaler Relevanz (Landesamt) hindert das Autobahnamt in Hohen Neuendorf bisher nicht, im Planfeststellungsverfahren für den Ausbau der A 12 den Abriß des Kleinods zu fordern. Die Argumente sind redlich. Zu klein und unwirtschaftlich sei das Gelände. Eine zeichnerische und fotografische Dokumentation würde doch genügen.

Das Denkmalamt hingegen sieht kein Problem für die Erhaltung, das Gebäude ist gut vor Vandalismus geschützt, und die neuen Fahrbahnen tangieren das Gelände nur am Rand. Eine eigene Zufahrt allerdings ist derzeit nicht mehr möglich, auch nicht für den vom Denkmalamt als Nutzer angesprochenen Pannendienst Denn eine solche müßte der Bund bauen. Darüber hinaus führt das Autobahnamt an, daß der Boden kontaminiert sei und acht Meter abgetragen werden müssen.

Peter Kramer von der Unteren Bodenschutzbehörde in Beeskow allerdings weiß von einer solch tiefgreifenden Verschmutzung nichts. Zuletzt wurde 1991 untersucht. Seither hätte sich die damals festgestellte Verschmutzung, die von übergeschwapptem Benzin stammt, verlagert oder sei durch Mikroben beseitigt worden. "Wegen Altlasten ist kein Abriß notwendig"."

Ergänzend sei seitens der Redaktion des AfASG angemerkt:

  • Weitere, noch in Betrieb befindliche Tankstellen des Typs Fürstenwalde stehen an der Autobahn Berlin – Szczecin (Stettin), kurz hinter der deutsch-polnischen Grenze sowie bei Wrozlaw (Breslau.
  • Weitere Informationen über die Tankstellen des Typs Fürstenwalde können im Glossar Straße+Autobahn nachgelesen werden.

 
Text, Fotos: H. Schneider, Naumburg (Saale), 1/2013