ARCHIV FÜR AUTOBAHN- UND STRASSENGESCHICHTE

Asphalt, Beton & Stein | Bau, Betrieb & Verkehr

Tank- und Rastanlagen Pfungstadt-West und -Ost an der BAB A67

An der heutigen BAB A 67 liegt bei Strecken-Kilometer 29,9-Süd eine Tankstelle mit Raststätte. Gegenüber, bei Strecken-Kilometer 30,1-Nord, befindet sich die Tank- und Rastanlage Pfungstadt-Ost mit Motel. Den heutigen Verkehrsteilnehmern ist nicht bewusst, dass es sich hierbei um die ersten bedeutenden Service-Einrichtungen an den Bundesautobahnen handelt, die nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut wurden. Darauf will dieser Beitrag aufmerksam machen. Zur Erleichterung der Suche folgt hier eine Inhaltsübersicht:

   1) Überlegungen zum Bau von Tankanlagen und Raststätten an Bundesautobahnen
   2) Tankstelle Pfungstadt-West bei Strecken-km 29,9-Süd
   3) Raststätte Pfungstadt-West bei Strecken-km 30,1-Nord
   4) Jägersteg/Fußgängerbrücke über die Autobahn
   5) Tankstelle Pfungstadt-Ost
   6) Rastanlage Pfungstadt-Ost mit Motel
   7) Ansätze zur Revitalisierung der Autobahn-Raststätte und des Motels Pfungstadt-Ost

1.   Überlegungen zum Bau von Tankanlagen und Raststätten an Bundesautobahnen

Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 war die Zukunft der deutschen Autobahnen in der Bundesregierung heftig umstritten. Einerseits wurden die rund 2.100 Kilometer befahrbaren Autobahnen in Westdeutschland als Relikt des nationalsozialistischen Regimes angesehen, das nicht zu beseitigen war. Andererseits dienten diese Schnellstraßen dem bereits während der Wiederaufbauzeit stark anschwellenden Kraftfahrzeugverkehr als willkommene Routen für den Gütertransport. Ende 1952 überschritt der Kraftfahrzeugbestand in der Bundesrepublik Deutschland die Grenze von rund 3,3 Mio Stück Fahrzeugen, darunter PKW 945.000 (1938 = 1,272 Mio.), LKW 525.000 (367.400), Motorräder 1,62 Mio. (1,513 Mio.). Er lag somit bereits über dem zuletzt 1938 verlässlich erhobenen Bestand von rund 3,15 Mio. Stück im damals viel größeren Deutschen Reich.

Bis zum Verkehrsfinanzgesetz von 1955 stellte die Bundesregierung dem ersten Verkehrsminister Hans-Christoph Seebohm für den Autobahn- und Straßenbau jeweils nur so viele Mittel bereit wie im Jahreshaushalt zu verantworten war. Das meiste Geld floss in die Wiedererrichtung der von der deutschen Wehrmacht gesprengten Autobahnbrücken; dazu leisteten die Alliierten der Bizone (englisches und amerikanischen Besatzungsgebiet) in der Anfangsphase Material- und Transporthilfe. [1]

Dennoch entstanden seinerzeit die gedanklichen und planerischen Grundlagen für die Service-Einrichtungen an den Bundesautobahnen. Sie wurden wegen der steigenden technischen und platzmäßigen Anforderungen aufgrund des zunehmenden Kraftfahrzeugverkehrs immer weiter fortentwickelt. Als die Forschungsgesellschaft für Straßenwesen (FGS, heute FGSV) 1950 das „Merkblatt für die Anordnung von Tankstellen an öffentlichen Straßen“ veröffentlichte, erschien in der Zeitschrift „Straße und Autobahn“ ein kommentierender Beitrag von Dr. Ing. habil. Bruno Wehner. [2]

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Bild 1: Schema einer doppelseitigen Tankanlage an der Autobahn mit Raststätte (Zeichnung: Bruno Wehner)

Nach dem Merkblatt galten Tankstellen als Bestandteil der Straße und sollten deshalb im Hinblick auf eine zweckmäßige Gesamtlösung bereits von den Straßenplanern mit bedacht werden. An den Bundesautobahnen fiel dies leicht, weil der Bundesminister für Verkehr am 6. Juli 1951 die bundeseigene „Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen“ (GfN) gegründet hatte (in Ostdeutschland war dafür die Autobahntankstellengesellschaft mbH - OATG zuständig).

Aufgabe der GfN war, Vorplanungen für die Nebenbetriebe durchzuführen und die Baukosten zu tragen. Zudem gehörten Verpachtung, Verwaltung und Unterhalt bestehender und neuer Liegenschaften zum Aufgabenbereich. Zwischen 1950 und 1952 ließ Seebohm in seinem Ministerium eine Musterplanung für Rastanlagen erstellen. Gegenüber den Planungen der Reichsautobahnzeit, die für solche Anlagen eine Fläche von etwa 1000 m² für Tankstelle und Parkplätze vorsah (zumeist in Insellage), wurde jetzt eine Gesamtfläche von 12.000 bis 15.000 m² zum Standard. Tank- und Rastanlagen konnten aufgrund der neuen Dimension künftig nur noch parallel zur jeweiligen Richtungs-Fahrbahn errichtet werden und mussten im Hinblick auf das erwartete Verkehrsaufkommen getrennte Zapfsäulen für Pkw (in Fahrtrichtung links) und Lkw (in Fahrtrichtung rechts) haben. Die Fläche der Tankstelle musste groß genug sein, um tankende oder parkende Fahrzeuge vom öffentlichen Verkehrsraum zu trennen. Vor und hinter dem Gelände waren ausreichend dimensionierte Verzögerungs- bzw. Beschleunigungsspuren einzuplanen. In den Raststätten sollten die Gasträume für Pkw- und Lkw-Fahrer getrennt sein. Die Kapazität der Küche musste den bei Omnibusankünften üblichen Stoßbetrieb abdecken können. Nach dem Bauprogramm von 1952 war in einem Abstand von rund 100 Kilometer eine Rasthofanlage und alle 30 Kilometer eine kleinere Anlagen vorgesehen.

Die Architekten der Nachkriegs-Ära distanzierten sich alsbald von dem zwischen 1935 und 1939 zumeist bevorzugten Baustil. Postuliert wurde ein „neuer Tankstellentyp an den Autobahnen“, dessen Gestaltung zeigt, „daß die Verwendung des Flachdaches als Bestandteil eines technischen Bauwerkes durchaus ästhetisch einwandfrei und dem Landschaftsbild nicht abträglich ist und daß in diesem Zusammenhang große Fenster und glatte Wandflächen den Versuchen der Anwendung ländlicher und pseudobäurischer Fensterformen, Putzarten und Holzgebälken entschieden vorzuziehen sind.“ [3] Unverkennbar knüpften hier die Vorstellungen an die Mustertankstellen an, die 1935/36 zu Beginn der Reichsautobahnzeit von Architekten wie Carl August Bembé (Mustertankstelle Darmstadt, Tankstelle Frankfurt-Nord), Friedrich Tamms (Tankstelle Fürstenwalde) oder Werner March (Tankstelle Typ Hannover) errichtet und im Buch von Bonatz/Wehner beschrieben worden waren. [4]


2.   Tankstelle Pfungstadt-West bei Strecken-km 29,9-Süd

In den neuen Entwürfen spielten die Nebenräume (WC-Anlagen, Waschraum, Gastraum, Kassen- und Büroraum) eine ungleich größere Rolle als in der Vorkriegszeit. Der folgende Entwurf des beim Autostraßenamt Frankfurt (M.) tätigen Architekten Rainer Seidel bezog sich auf die beidseitig der Bundesautobahn bei Pfungstadt zu errichtenden Tankstellen mit Rastanlagen.

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Bild 2: Entwurf für die Gestaltung einer modernen Tankstelle (Zeichnung: Rainer Seidel)

Für den Bau kam der Architekt Ernst Neufert aus Darmstadt zum Zuge, der 1952 von der Gesellschaft für Nebenbetriebe den Auftrag erhalten hatte, eine zeitgemäße Grundkonzeption für Serviceeinrichtungen an der Autobahn zu entwerfen. Für die Errichtung der beiden Tankstellen und der Rastanlage an der damaligen A10 (heute BAB A67) sowie privatwirtschaftliche Bauprojekte gründete er 1953 in Darmstadt ein eigenes Architekturbüro. Die Tankstellen wurde 1953 eröffnet. Sie gehörten zur Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen (GfN), die 1951 von der Bundesregierung gegründet worden war, ab 1994 als Autobahn Tank & Rast firmierte und 1998 an ein privates Erwerberkonsortium verkauft wurde.

Die von Neufert für die beiden Tankstellen entwickelte Formensprache stand ganz in der funktionalistischen Tradition des Weimarer Bauhauses. [5] Das Beton-Flachdach ruhte auf acht schlanken, nach oben kegelförmig auslaufenden Kapitellen aus armiertem Beton. Der weiße Anstrich erinnerte an die Leuna-Tankstellen der 1930er-Jahre. Die ebenfalls mit Flachdach versehenen und großzügig verglasten Tankstellengebäude wurden bewusst vom Bereich der Zapfsäulen abgesetzt.

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Bild 3: Aktuelle Ansicht der Tankstelle Pfungstadt-West, gesehen von Nordosten in Fahrtrichtung Süd
(Foto: © Foto: Helmut Schneider, September 2013)

Das heutige Erscheinungsbild der Tank- und Rastanlage Pfungstadt-West konnte bedauerlicherweise nicht direkt mit der Situation der 1950er Jahre verglichen werden, weil dazu keine Fotografie aufzufinden war. Als Vergleichsobjekt dient deshalb das um 1955 entstandenen Schwarz-Weiß-Foto der spiegelbildlich errichteten Tankstelle Pfungstadt-Ost (Bild 4).

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Bild 4: Tankstelle Pfungstadt-Ost– gesehen von Südwesten in Fahrtrichtung Nord, um 1955
(Foto: © Hessen Mobil - Straßen- und Verkehrsmanagement)

Es ist gut zu erkennen, dass sich am Prinzip wenig verändert hat; lediglich der Rand des Tankstellendaches ist mit den Hausfarben von Shell markiert und natürlich entsprechen die Zapfanlagen dem heutigen Standard. Die mit Blaubasalt gepflasterte Zufahrt, die Form der Überdachung der Zapfsäulen und die eleganten Pilzstützen sind geblieben. Ein Ortstermin zeigte, dass das Innere des Verkaufsraumes im Laufe der Zeit renoviert und den Anforderungen angepasst wurde, doch die rückwärtigen Räume und der Keller fast unverändert erhalten geblieben sind. Deshalb steht das Ensemble der Tankstelle Pfundstadt-West genauso wie die Raststätte und das Motel auf der gegenüberliegenden Seite (siehe dazu unter Ziffern 5 und 6) unter Denkmalschutz.

Die folgende Bilderstrecke zeigt Details der Tankstelle Pfungstadt-West, um den Gesamteindruck zu vervollständigen.

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Bild 5: Der LKW-Bereich der Tankstelle Pfungstadt-West, Blick nach Norden
(Foto: © Reiner Ruppmann, April 2013)

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Bild 6: Verkaufsraum mit rückwärtigen Räumlichkeiten und säulengestütztem Tankstellendach

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Bild 7: Detail der eleganten Stützsäulen mit pilzförmigem Kapitell

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Bild 8: Die rückwärtigen Räumlichkeiten mit klinkerverblendetem Sockel. Tankstellendach und -unterseite wurde bei einer Renovierung rot gestrichen. Es akzentuiert zwar die horizontale Linie, nimmt dem Tankstellengebäude jedoch seine ursprüngliche leichte Eleganz.

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Bild 9: Blick von der LKW-Tankstelle in Richtung Süden
(Fotos 6 bis 9: © H Schneider, September 2013)

Seit Mitte 1996 steht die gesamte Tankstelle Pfungstadt-West einschließlich der gepflasterten Verkehrswege und Freiflächen, soweit sie noch original erhalten sind, unter Denkmalschutz.


3.   Raststätte Pfungstadt-West

Die Raststätte Pfungstadt-West liegt in Fahrtrichtung Süd etwas zurückgesetzt fast am Ende des Parkplatzes. Sie ist kleiner dimensioniert und in der Frontansicht weniger ansehnlich als die Raststätte auf der Ostseite (siehe dazu Kapitel 6); mit ihren gelben und ockerfarbenen Klinkersteinen lässt sie sich jedoch äußerlich sofort als Teil des von Neufert konzipierten Ensembles identifizieren. Allerdings hat man irgendwann entschieden, dem ursprünglichen Flachdach ein Satteldach überzustülpen, so dass die klare architektonische Formensprache verloren gegangen ist. Erst auf den zweiten Blick erkennt man auf dem Foto die Linie des ehemaligen Flachdachs (Bild 10).

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Bild 10: Raststätte Pfungstadt-West (Foto: © Reiner Ruppmann, April 2013)

Dieser Bau hatte einen Vorläufer, dessen kurze Geschichte in dem hier beigefügten Beitrag anhand von Unterlagen des Stadtarchivs Pfundstadt beschrieben wird.

"Die 'Baracke' stand nur zwei Jahre - Kleine Geschichte der Raststätte Pfungstadt-West"
Ein Beitrag mit Unterstützung des Vereins für Heimatgeschichte Eschollbrücken-Eich 1982 e.V


4.   Jägersteg/Fußgängerbrücke über die Autobahn

Kommt man von Frankfurt/Darmstadt, sieht man direkt vor der Zufahrt zur Tankstelle die klobigen Überreste einer Fußgängerbrücke über die A67, welche die baufällig gewordenen Betonkonstruktion des sogenannten „Jägerstegs” aus den Jahren 1934/35 ersetzte. Der neue Fußgängerüberweg war ab Mitte 1985 etwas weiter nördlich als der Vorgängerbau errichtet und am 20. Dezember 1985 offiziell eingeweiht worden. Doch die Holzkonstruktion hielt nur etwa 15 Jahre, dann wurde auch sie abgerissen; nur die Betonstützen blieben stehen. Erstaunlicherweise war dazu von Hessen Mobil nichts in Erfahrung zu bringen.

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Bild 11: Brückenstützen am Waldrand im Westen der A67
(Foto: © Reiner Ruppmann, April 2013)

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Bilder 12+13: Brückenpfeiler direkt neben der Tankstellenzufahrt (Fahrtrichttung Süd)
sowie die Brückenhauptstütze auf dem Mittelstreifen und auf der Ostseite
(Fotos: © Reiner Ruppmann, April 2013)

Nach Aussagen der Tankstellen-Mitarbeiterin, Frau Neu, diente die Fußgängerbrücke lange Jahre auch als Anlieferweg für die Versorgung der westlichen Tankstelle mit Verkaufswaren von der östlich Seite aus.

Die ganze Geschichte dieser Fußgängerbrücke hat Herr Roth vom Verein für Heimatgeschichte Eschollbrücken-Eich 1982 e.V. erforscht und dem AfASG die Genehmigung erteilt, seinen soeben fertig gestellten Beitrag an dieser Stelle zu veröffentlichen.

"Die Geschichte der Fußgängerbrücke zwischen den Raststätten Pfungstadt"
Ein Beitrag von Herrn Roth, Verein für Heimatgeschichte Eschollbrücken-Eich 1982 e.V


5.   Tankstelle Pfungstadt-Ost

Die Tankstelle Pfungstadt-Ost wurde ursprünglich im gleichen Stil wie die Tankstelle Pfungstadt-West erbaut. Beide nahmen 1953 den Betrieb auf.

Vermutlich wegen Undichtigkeit oder Betonschäden in der Konstruktion wurde 1996 das unverwechselbare, von kelchförmigen Rundsäulen getragene Dach der Tankstelle abgerissen und durch die übliche zeitgenössische Stahlkonstruktion mit verzinkten Blechen ersetzt. Insofern entspricht die Anmutung der Tankstelle heute den gestalterisch wenig anspruchsvollen Zweckbauten, wie sie an vielen Autobahnen zu finden sind.

Niemand war bis dahin auf den Gedanken gekommen, dieses einzigartige Tankstellen-Ensemble unter Denkmalschutz zu stellen. Deshalb kam es auch nicht zu einer sachgerechte Rekonstruktion, als bei den Abrissarbeiten ein Teil des überstehenden Daches an dem Service-Pavillon beschädigt und abgetragen wurde. Erfreulicherweise erinnern der Verkaufsraum und die rückwärtigen Gebäudeteile mit dem gelb-ockerfarben Klinkersockel noch heute an die ursprüngliche Architektur.

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Bild 14: Neubau der Tankstelle Pfungstadt-Ost aus den 1980er Jahren
(Foto © Reiner Ruppmann, Juli 2013)

Die frühere Anmutung der Neufertschen Musteranlage zeigt das folgende schwarz-weiß-Foto aus den 1950er Jahren. Analog zu Pfungstadt-West bestach die Anlage Ost durch ihre schlichte Eleganz und die prägnante Überdachung der Zapfsäulen.

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Bild 15 Tankstelle Pfungstadt-Ost, 1953. (Foto © Familie Patzel, Eschollbrücken)

Zwischen den beiden Zapfsäulen auf der Tankinsel ist ein Luftdruckgerät zu sehen. Wie es seinerzeit üblich war, leisten zwei Tankwarte in den charakteristischen Overalls Service für den Fahrer eines Opel Olympia. Der Tankwart mit der Zapfpistole ist vermutlich Herr Alois Patzel, der dort von Anfang 1953 bis April 1965 als Tankwart arbeitete und von Mai 1965 bis Februar 1992 die Tankstelle als Pächter leitete. Bei dem Beobachter könnte es sich um den damaligen Geschäftsführer der Tankstelle, Herrn Schmoll, handeln.


6.   Rastanlage Pfungstadt-Ost mit Motel

Die Autobahn-Raststätte Pfungstadt-Ost und das Motel wurden von 1953 bis 1957 nördlich der Tankstelle Pfungstadt-Ost errichtet. Die gesamte Anlage war für ihre Zeit sehr großzügig dimensioniert. Bemerkenswert ist, dass sich die im oben gezeigten Entwurf für das Tankstellengebäude vorgesehene Verkleidung aus keramischen Platten (Bild 2) bei den Raststätten-Gebäuden und dem Motel wiederfinden, allerdings nicht vertikal, sondern horizontal verlegt.

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Bild 16: Plan für die Raststätte Pfungstadt-Ost von Süden, 1953; Entwurfs-Bezeichnung: Raststätte am Ried (Originalzeichnungen vom Büro Prof. Ernst Neufert
© Ramona Buxbaum Architekten Atelier Planstatt).

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Bild 17: Raststätte Pfungstadt-Ost (Blick von Süden in Fahrtrichtung Darmstadt).
Das Motel ist aus dieser Perspektive nicht zu sehen.
(Foto: © Hessen Mobil - Straßen- und Verkehrsmanagement)

Zur Einweihung 1954 der Raststätte Pfungstadt-Ost war Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm gekommen. Der ‚hohe Besuch’ hing möglicherweise mit den seinerzeit von ihm praktizierten Besichtigungsfahrten zu Straßen- und Brücken-Baustellen zusammen. In diesem Fall hatte er wohl die im Bau befindlichen Strecke Wiesbadener Kreuz – Frankfurter Kreuz und die Großbauwerke der beiden Kleeblatt-Kreuzungen sowie die Brücke bei Eddersheim über den Main inspiziert. Die Verknüpfung der Autobahn (heute A 3) Köln – Frankfurt am Main mit der Autobahn Frankfurt – Mannheim/Heidelberg - Pforzheim gehörte in den Wiederaufbaujahren zu den vordringlichen Projekten.

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Bild 18: Das Fest-Komitee auf dem Weg zur offiziellen Einweihung der Raststätte Pfungstadt-Ost, 1954
(Foto © Franz Huschka, Darmstadt)

Auf Bild 18 sind in der ersten Reihe zu sehen (von links nach rechts): mit Sonnenbrille der Leiter der Gesellschaft für Nebenbetriebe an Bundesautobahnen (ab 1954 Hessische Autobahn-Tankstellen und Raststättenverwaltung); die erste Pächterin der beiden Raststätten, Frau Alma Schmeißer; Verkehrsminister Dr. Hans-Christoph Seebohm (zweites Kabinett Adenauer); Prof. Neufert, Architekt der Tank- und Rastanlagen Pfungstadt; Regierungsbaurat z. w. V. Karl Jagersberger, Leiter des Autostraßenamtes Frankfurt/M.; er überragte alle anderen Teilnehmer um mehr als Haupteslänge. Da er in Eschollbrücken wohnte, beantragt das Autobahnamt Frankfurt/M mit Schreiben vom 8.7.1958 an den Bürgermeister der Gemeinde die Legung eines Fernsprechanschluss für den Dienstgebrauch von der Autobahntankstelle Pfungstadt-West zu seiner Wohnung.

Einen Eindruck von der Gesamtanlage auf der Ostseite der heutigen A 67 vermittelt, das folgende Bild, das um 1958 vom ersten Jägersteg in Richtung Südosten aufgenommen wurde.

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Bild 19: Blick vom ursprünglichen Jägersteg über die damalige Autobahn A 10 (heute A 67) nach Südosten auf die Tank- und Rastanlage Pfungstadt-Ost mit Motel, nach 1957. (Foto © Familie Patzel, Eschollbrücken)

Gemessen am Standard heutiger Rastanlagen wirkt die Raststätte Pfungstadt-Ost antiquiert und strahlt dennoch architektonischen Charme aus.

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Bild 20: Haupteingang zur Raststätte. Rechts abgesetzt ist das 1956/57 gebaute Motel zu erkennen.
(Foto: © Ramona Buxbaum)

Das Motel Pfungstadt wurden am 30. Juli 1957 eröffnet. Es ist schon geraume Zeit nicht mehr im Betrieb. Derzeit wird geprüft, ob eine Revitalisierung der denkmalgeschützten Gebäude lohnt.

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Bild 21: Raststätte und Motel Pfungstadt-Ost im Jahr 2012 – Ansicht von Südwest
(Foto: © Reiner Ruppmann, April 2012)
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Bild 22: Original erhaltener Empfangsraum des Motels Pfungstadt-Ost. (Foto: © Ramona Buxbaum)

Im Jahre 2011 beteiligte sich der Verein für Heimatgeschichte Eschollbrücken-Eich 1982 e.V. mit drei Informationstafeln an einer Ausstellung in Pfungstadt zu Gastarbeitern bei den Eschollbrücker Bauunternehmen ab 1960. Das »Archiv für Autobahn- und Straßengeschichte« nutzt an dieser Stelle gern das Angebot zur Veröffentlichung dieser Tafeln als Ergänzung der Seiten über die Autobahnraststätten Pfungstadt-Ost und Pfungstadt-West.

"Gastarbeiter in Eschollbrücken bei den Autobahnraststätten Pfungstadt Ost und West"
Ein Beitrag des Vereins für Heimatgeschichte Eschollbrücken-Eich 1982 e.V


7.   Ansätze zur Revitalisierung der Autobahn-Raststätte und des Motels Pfungstadt-Ost
(Abdruck des folgenden, vom Verfasser redigierten und leicht gekürzten Textes mit freundlicher Genehmigung von Ramona Buxbaum Architekten Atelier Planstatt, Darmstadt http://www.ramonabuxbaum.de).

Die Tank & Rast GmbH, Bonn hat Atelier Planstatt, Darmstadt mit einer Machbarkeitsstudie zur Hotelnutzung in den Gebäuden der Raststätte Pfungstadt Ost an der A67 beauftragt. Untersucht wurde der Gebäudebestand im Hinblick auf seine Instandsetzung in einen zeitgemäßen Zustand. Hierbei sind energetische, bauphysikalische, baurechtliche und denkmalpflegerische Belange zu berücksichtigen und zu erfüllen. Zielsetzung des Gutachtens ist die Ermittlung des voraussichtlichen finanziellen Aufwands für die Sanierung, sowie die Realisierung der Vorgaben des neuen Hotelbetreibers.

Grundlagen:
Bestandszeichnungen der Tank & Rast GmbH Bonn, Originalzeichnungen vom Büro Prof. Ernst Neufert, örtliche Gegebenheiten

Baubeschreibung und Bestandsaufnahme
Die Autobahnraststätte Pfungstadt Ost an der A 67 ist ein Gesamtensemble bestehend aus Tankstelle, Raststätte und Motel. Seit 1996 steht die Anlage unter Denkmalschutz. Der Darmstädter Architekturprofessor Ernst Neufert hatte 1951/52, ausgehend von einem Regelentwurf des Bundes-Verkehrsministeriums, die Tankstelle entwickelt, die dann auch Eingang in seine berühmte Bauentwurfslehre gefunden hat. Die Raststätte entstand in mehreren Bauphasen. 1966-69 und 1977 ist sie noch einmal umgebaut worden.

Umbaumaßnahmen
2.1 Sanierung und Umbau Hotelanlage
Die unter Denkmalschutz stehende Hotel- und Restaurantanlage ist seit einer Sanierung in den 1970er Jahren und einigen Ausbesserungsarbeiten noch im Originalzustand erhalten. Die Außenhülle ist in einem ordentlichen Zustand, lediglich der Einkornbeton des Sockels ist an manchen Stellen schadhaft. Der Aufbau entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen an den Wärme- und vorbeugenden Brandschutz.

Eine Sanierung muss aus Sicht des Denkmalschutzes den Charakter des Gebäudes bewahren. Gegebenenfalls ist eine Befreiung von heutigen Wärmeschutzanforderungen zur Wahrung des ursprünglichen Erscheinungsbildes denkbar.

2.2 Notwendige Arbeiten
Die bestehenden Flachdächer müssen im Zuge der Sanierung komplett erneuert werden. Die Ausführung, vor allem der Attikaverkleidung, sollte mit der neuen Flachdachausführung über dem Restaurant abgestimmt werden. Um den barrierefreien Zugang ins Restaurant und in den Shop zu gewährleisten, ist am Haupteingang eine neue Rampenanlage errichtet.

Da an der Außenfassade keinerlei Änderungen vorgenommen werden dürfen, wird die Fassade lediglich gereinigt, an schadhaften Stellen denkmalgerecht ausgebessert und ggf. hydrophobiert. Der beschädigte Einkornbeton am Sockel bzw. an der Unterseite der Dachauskragung wird abgetragen und erneuert.

Im Zuge der Sanierung wird die komplette Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Elektro- Installation erneuert. Neben dem vorbeugenden Brandschutz sind geeignete Rettungswege, Notausgangsbeschilderungen und Alarmeinrichtungen vorzusehen.

In den Fluren wird ein neuer Teppichboden verlegt, Wandflächen neu tapeziert und im Farbkonzept des neues Betreibers angelegt. Die bestehende Installation unter der Decke wird komplett erneuert und mit einer abgehängten Gipskartondecke verkleidet.

Die Treppenhäuser bleiben in ihrer jetzigen Form erhalten (Bodenbelag und Geländer). Die bestehende Rezeption soll nach Angaben des Denkmalschutzamtes restauriert werden.


Anmerkungen

[1] Siehe dazu Reiner Ruppmann, Schrittmacher des Autobahnzeitalters – Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet, Darmstadt 2011, S. 330ff. und S. 357ff.
[2] Bruno Wehner, Tankstelle und Straße, in: Straße und Autobahn 1 (1950), Heft 11, S. 1-3, Bild S. 2. Als Referent des Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen hatte sich Wehner schon zur Zeit des Reichsautobahnbaus mit der Anlage von Raststätten, Tankstellen und Autohöfen befasst.
[3] Rainer Seidel, Ein neuer Tankstellentyp an den Autobahnen, in: Straße und Autobahn 2 (1951), Heft 12, S. 411-413, Bild S. 412.
[4] Paul Bonatz / Bruno Wehner: Reichsautobahntankanlagen, Berlin 1942.
[5] Ernst Neufert (1900 - 1986), Bauhausschüler in Weimar und leitender Mitarbeiter im Architekturbüro von Walter Gropius, arbeitete seit 1945 als Professor für Baukunst an der Technischen Hochschule Darmstadt. Sein bahnbrechendes Buch „Bauentwurfslehre. Handbuch für den Baufachmann, Bauherren, Lehrenden und Lernenden“ von 1936 ist noch heute das Standardwerk für Normung und Bauplanung in der Entwurfsphase, in Fachkreisen nur „Der Neufert“ genannt (39. Auflage 2009).

© Reiner Ruppmann Oktober 2015 / Januar 2016 / Mai 2016