Karte aus "Motor-Jahr 1980" mit den DDR-Autobahnnummern Anders als in anderen Ländern Europas, wurden im allgemeinen Sprachgebrauch der DDR für die Autobahnen, keine Nummern verwendet. Intern jedoch wurden durchaus Nummern verwendet, wenngleich noch kein Dokument gefunden wurde, welches die administrative Grundlage für eine Verwendung von Autobahnnummern bildet1 . Es finden sich lediglich mehrere Artikel in der Fachliteratur und in einigen Dokumenten, in denen Nummern für Autobahnstrecken benutzt werden. Die bislang früheste Verwendung von Nummern für Autobahnen der DDR wurde vom Autor in dem vom »Archiv für Autobahn- und Straßengeschichte« aufbewahrten Dokument "Rundverfügung Nr. 27/51" vom 7. April 1951 des Brandenburgischen Landes-Straßenamtes gefunden. Darin geht es um die Ausbesserungen der Fahrbahnen. Es heißt im Text: "... Mit Rücksicht auf die im August d.J. in Berlin stattfindenden Weltjugendfestspiele sind die Anmarschstrassen vordringlich zu behandeln. Als solche sind vorerst folgende Strassen benannt: Die Autobahnen 48, 50 und 51 = Berliner Ring, ..." Die Nummern sind identisch mit den Hauptkostenanschlägen, die bereits zur Zeit des Baues der Reichsautobahnen intern galten. Strecke 48 für die Westtangente, Strecke 50 für die Osttangente und Strecke 51 für die Südtangente. Eine weitere Verwendung dieser Streckennummern wurde in einer Bildmappe gefunden, welche vom Staatlichen Straßenunterhaltungsbetrieb -Autobahnen- Halle/Saale (SSUB -A- Halle/S.) "Für Ihre langjährige Treue zum Straßenwesen und Ihre aufopferungsvolle Tätigkeit in unserem Betrieb ..." einem Kollegen oder einer Kollegin am 19. November 1957 überreicht worden war. Bei einige der fotografischen Aufnahmen ist nicht nur der Ort oder der Streckenabschnitt angegeben, sondern es werden ebenfalls die vorerwähnten Streckennummern nach Hauptkostenanschlägen verwendet. Die Nummern A79 für die Strecke bei Eisenach, A67 für die Strecke Berlin - Nürnberg und A83 finden sich hier. Die Nennung von Nummern erfolgte auch in der Zeitschrift »Die Strasse«, Nr. 4 (1961), S. 213 bis 219 uund 223 bis 226. Im Beitrag "Straßenverkehrszählungen in Karl-Marx-Stadt" von Dipl.-Ing. R. Peschel, es geht um die Ausweisung des Straßennetzes in der Bezirksstadt Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz). Zwei Abbildungen zeigen die wichtigsten Straßenkategorien des Stadtgebietes. Die Skizzen reichen über den Verlauf der Autobahnen Dresden - Hermsdorfer Kreuz und Karl-Marx-Stadt - Zwickau hinaus und sind als Hauptverkehrsadern mit Nummern versehen. Die Strecke Dresden - Karl-Marx-Stadt mit Nummer A83, die Strecke Karl-Marx-Stadt - Hermsdorfer Kreuz mit Nummer A80 und die Strecke Karl-Marx-Stadt - Zwickau mit der Nummer A84. Diese Nummern entsprechen den Streckennummern nach Hauptkostenanschlägen. Das Dokument R995012 "Kilometerangaben der Autobahnen in der DDR an denen Bezirks- und Kreisgrenzen überschritten werden" vom Mai 1961 enthält für alle zum damaligen Zeitpunkt in der DDR vorhandenen Autobahnen die Nummern nach den RAB Hauptkostenanschlägen. Gegenüber der Skizze und den Angaben von W. Jäger (Bruchköbel) ist auch die Strecke Berliner Ring - Berlin, der Avus-Zubringer, mit der Nummer A 51 Z versehen. Der Verlauf dieser Strecke im Bereich Albrechts Teerofen (siehe dazu Archivale S017090) kreuzte zweimal die Grenze der DDR zu Berlin (West), was sich auch auf Seite 1 o.g. Dokuments zeigt. Im Heft 4 des 2. Jahrgangs (1962) der Zeitschrift "Die Strasse" veröffentlicht Peschel einen Beitrag unter dem Titel "Verkehrsprobleme bei der Anlage von Umgehungsstraßen". Gegenstand des Beitrags sind die geplanten Ortsumgehungen der Städte Stollberg (Erzgebirge), Frankenberg (Kreis Hainichen) und Lübbenau (Spreewald). Die Skizzen der vorgesehenen neuen Verkehrswege enthalten auch die nahe der Städte vorbei führenden Autobahnen. Peschel verwendet auch hier, wie bereits 1961, die Nummern der Hauptkostenanschläge aus der Zeit der Erbauung der Strecken: A84 für die Verbindung Plauen - Karl-Marx-Stadt und A83 für die Verbindung Karl-Marx-Stadt - Dresden. Die Skizze der Stadt Lübbenau und ihres Umfeldes zeigt auch die Abzweigung der Strecke nach Dresden von der Verbindung Berliner Ring - Forst (- Wrocław, ehem. Breslau), das heutige Autobahndreieck Spreewald. Die durchgehende Verbindung Berliner Ring - Forst trägt die Nummer A60, die nach Dresden abzweigende die Nummer A65. Auch in seinem Beitrag "Planung und Klassifizierung städtischer Straßen" der gleichen Zeitschrift, Nr. 3 (1964), S. 188 bis 195, verwendet Peschel die bereits 1961 und 1962 verwendeten Streckennummern. Straßennetze für Durchgangsverkehr, Ziel- bzw. Quellverkehr und Binnenverkehr (Ausschnitt). Quelle: R. Peschel: Planung und Klassifizierung städtischer Straßen in Die Strasse, Nr. 3 1964, S. 190. |
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Weitere Nennungen bzw. Verwendungen einer Nummerierung finden sich in folgenden Publikationen:
Im Beitrag "20 Jahre Straßenwesen" von R. Schild und H. Stehling, veröffentlicht in der Zeitschrift Die Strasse 9 (1969), Heft 10, Oktober 1969, S. 471-479, tauchen erstmals die Nummern für Autobahnen der DDR auf, die bis zum Beitritt zum Staatsgebiet der Bunderepublik Deutschland 1990 Verwendung fanden. Als Fortsetzung der Verbindung Halle-Peißen (AS zur B100) - Leipzig-Engelsdorf (AS zur B6) wurde im Oktober 1971 die erste in der DDR gebaute Autobahnstrecke eingeweiht. Sie führt, wie bereits dreißig Jahre früher als Reichsautobahn geplant, zur Strecke Karl-Marx-Stadt - Dresden und mündet am Dreieck Nossen in die heutige BAB A4. Die Zeitschrift "Die Strasse" veröffentlichte ab dem Januarheft des 12. Jahrgangs (1972) mehrere Berichte zu diesem Neubau. Eine Streckenübersicht im Heft 1, Seite 5, zeigt dabei nicht nur die neue Trasse mit Benennung der Teilabschnitte, Bauwerke und Anschlussstellen sondern auch einen Teil der heutigen A4. Auf dieser Skizze werden nunmehr die Bezeichnungen "A10" für die Neubaustrecke, heute ein Teil der BAB A14, und "A7", heute die Deutschland durchquerende BAB A4, verwendet. Leider finden sich weder im Textteil des Beitrags noch im Literaturverzeichnis Hinweise darauf, welche politischen oder administrativen Dokumente Grundlage für die Verwendung der Autobahnnummern"A7" und "A10" waren. Das Autobahn-Aufsichtsamt Halle/Saale verteilte in den 1970er Jahren eine Übersichtskarte des Autobahnnetzes der DDR mit dem Stand 1. November 1972 (Archivale W017021 des AfASG). Teil der Karte ist die nebenstehende Auflistung aller Autobahnstrecken mit Angaben zu den Anschlussstellen.
Interessant ist, dass auch der am 28. April 1962 dem Verkehr übergebenen vierspurigen Schnellstraße Schönefeld - Adlergestell eine Autobahnnummer zugeordnet wurde. Auch sind die Autobahnen vom Berliner Ring bis nach Schönefeld bzw. bis zur Grenzübergangsstelle Drewitz nicht als Autobahnen bezeichnet, sondern lediglich als "Zubringer", obwohl sie alle Merkmale von Autobahnen in dieser Zeit erfüllten. Mit Fertigstellung der Strecke Berliner Ring - Berlin-Pankow gab es eine Änderung in der Nummernzuweisung: Die neue Strecke erhielt die Nummer A 14, die Schnellstraße Schönefeld - Adlergestell als Fernverkehrsstraße die Nummer F 96a. In einem Beitrag über die jährlich stattfindenden Signalschauen im Mitteilungsblatt »unsere autobahnen« Nr. 7/1974, S. 6, der Betriebszeitung des Staatlichen Straßenunterhaltungsbetriebes (Autobahnen) Halle (SSUB (A) Halle/Saale) ist zu lesen:
In der Ausgabe Nr. 9 des o.a. Mitteilungsblattes vom 2. November 1972: Unter der Überschrift "Auch im Norden tut sich was" wird der Beitrag mit dem Satz eingeleitet:
In der Oktoberausgabe des Jahres 1974, im Beitrag "Autobahnen 25", findet sich die Bezeichnung des Berliner Rings als "A1":
Im Heft 11/1976 der Zeitschrift »Der Deutsche Straßenverkehr« wird eine Mitteilung des Staatlichen Straßenunterhaltungsbetriebes Autobahnen Halle wiedergegeben. In der Zusammenstellung umbenannter Anschlussstellen ist neben der Strecke als von-bis-Angabe auch die Autobahnnummer genannt, ohne dass auf diese, für den DDR-Autofahrer bis dahin unbekannte Nummerierung, eingegangen wird. Eine der seltenen Veröffentlichungen der vergebenen Nummern auf einer Karte ist im Beitrag von Händel, H. R. und Wiehler, H.-G.: "Achtung - Fahrbahnwechsel | Die Erneuerung des Autobahnnetzes der DDR" (Motor-Jahr 80, transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1980) abgedruckt. Im Zuge des Anschlusses des Seehafens Wismar an die Autobahn Berlin - Hamburg erhielt diese Strecke die interne Nummer A18, wie einem Artikel von B. Hinghaus in der Betriebszeitung »Unsere Autobahnen«, 16 (1985) Nr. 4, S. 6 zu entnehmen ist. Doch nicht alle Autoren von Veröffentlichungen in der DDR-Fachzeitschrift "Die Strasse" verwendeten die neue Nummerierung. So schrieben A. Reinicke und G. Denzel in ihrem im Heft 10 des Jahres 1972 veröffentlichten Artikel "Der vierspurige Ausbau der F 100 Halle - Anschlußstelle Brehna" noch:
Während es noch bis zum Oktober 1990 dauerte, ehe an den Schildern an und über den Richtungsfahrbahnen die Nummerierung der Strecken Einzug hielt, wurden Jahre vorher, im internen Gebrauch, zum Beispiel in den Artikeln des Mitteilungsblattes des VEB Autobahndirektion "Unsere Autobahnen", die DDR-Autobahnen mit A-Nummern genannt. Die interne Nummernvergabe erfolgte mit Sicherheit auf der Grundlage eines Dokuments, doch konnte bisher kein solches in Archiven aufgespürt werden und auch keiner der vor 1990 im Autobahnwesen tätigen konnte bisher dazu Auskunft erteilen. 1 Das Archiv ist im Besitz eines unautorisierten Aufsatzes zu den Akten der Autobahnen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Inhalt des Aufsatzes ist der Verbleib der Akten über den Bau der RAB und für den Zeitraum von 1945 bis zum Vortag des Beitritts der DDR zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland am 2.10.1990. Darin heißt es auf Seite 7:
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Die Anschlussstellen der DDR-Autobahnen entsprachen im Wesentlichen denen, die bereits bei den Reichsautobahnen vor 1945 vorhanden waren. Allerdings erfolgten zwischen 1945 und 1990 einige Umbenennungen (z.B. Wolziger See in Friedersdorf, A3), manche Anschlussstelle wurde geschlossen, andere dagegen wurden neu gebaut (AS Briesen, A3, 1974). Auch gab es Zu- bzw. Abfahrten, die nur dem Betriebsdienst der Autobahnmeistereien vorbehalten waren oder die nur von den "bewaffneten Organen", also der Polizei (VP), dem Staatsicherheitsdienst (MfS), den Grenzsicherungstruppen oder der Nationalen Volksarmeee (NVA) benutzt werden durften. Die in der nachfolgenden Tabelle angegebenen Anfangs- und Endpunkte bezeichnen, außer beim Berliner Ring, jeweils den Autobahnabzweig (in Klammern die durchlaufende Autobahn), die letzte für DDR-Bürger ohne Sondergenehmigung benutzbare Anschlussstelle (AS) und den weiteren Verlauf, sofern die Autobahn grenzüberschreitend war. Sortiert nach der Streckennummer |
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Nr. | Streckenverlauf |
A1 | Berliner Ring |
A2 | Abzweig Prenzlau (A1) – AS Pomellen - (Grenzübergangsstelle Pomellen/Kołbaskowo nach PL) |
A3 | Abzweig Frankfurt/Oder (A1) – AS Frankfurt/O - (Grenzübergangsstelle Frankfurt (Oder)/Słubice nach PL) |
A4 | Schönefelder Kreuz (A1/A13) - Abzweig Dresden (A6/A7) |
A5 | Abzweig Lübbenau (A4) – AS Klein Bademeusel - (Grenzübergangsstelle Forst nach PL) |
A6 | Abzweig Dresden (A4/A7) - AS Bautzen-Ost |
A7 | Abzweig Dresden (A4/A6) - AS Eisenach-West - (Grenzübergangsstelle Wartha/Herleshausen zur BRD) |
A8 | Abzweig Karl-Marx-Stadt (A7) – AS Pirk |
A9 | Abzweig Leipzig (A1) – AS Hirschberg/Lobenstein - (Grenzübergangsstelle Hirschberg zur BRD) |
A10 | AS Halle-Peißen – Abzweig Nossen (A7) |
A11 | Abzweig Magdeburg (A1) – AS Ostingersleben - (Grenzübergangsstelle Marienborn/Helmstedt zur BRD) |
A12 | Abzweig Drewitz (A1) - AS Babelsberg - (Grenzübergangsstelle Dreilinden nach Berlin-West) |
A13 | Schönefelder Kreuz (A1/A4) - Abzweig Berlin-Zentrum |
A14 | Abzweig Berlin-Pankow (A1) - Berlin-Pankow |
A15 | Abzweig Rostock (A1) – AS Rostock-Überseehafen |
A16 | Abzweig Wittstock (A15) – AS Wittenburg - (Grenzübergangsstelle Zarrentin zur BRD) |
A17 | Abzweig Stolpe (A1) - Wendestelle Stolpe - (Grenzübergangsstelle Heiligensee nach Berlin-West) |
A18 | Abzweig Schwerin (A16) – AS Schwerin |
Quelle: Übersichtskarte Autobahnnetz der DDR, Stand 1. Januar 1990, VEB Autobahndirektion sowie Autoatlas Deutsche Demokratische Republik: mit Bulgarien, ČSSR, Polen, Rumänien, UdSSR, Ungarn. - 9., bearb. Aufl., - Berlin; Leipzig: Tourist Verl., 1988 |
Im Zuge des Beitritts der DDR zum Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland per 3. Oktober 1990, wurden die Autobahnen in das bundesdeutsche System der Nummerierung einbezogen. Dazu erging am 10. Oktober 1990 von der Autobahndirektion Halle im Staatlichen Straßenunterhaltungsbetrieb eine Anweisung zur "Montage der A-Nr. an den Vor- und Wegweisern sowie Bestätigungswegweisern." Zwei Unternehmen waren mit der Lieferung der neuen Nummerschilder beauftragt. Sie belieferten die in der Anweisung genannten Autobahnmeistereien. Eigenartigerweise hatten an den Vorwegweisern und Wegweisern die neuen Nummern für die vorhandenen E-Nummern einzutreten.
Die Realisierung der Montage hatte an den Autobahnen bis zum 26. Oktober, die an den Vorwegweisern und Wegweisern bis zum 9. November 1990 zu erfolgen. Mit deutscher Gründlichkeit war das Schreiben so ausführlich formuliert, dass selbst der Durchmesser des Bohrlochs für die Blechtreibschrauben angegeben wurde. Die offizielle Verlautbahrung zur Einführung der Autobahnnummerierung auch für die Autobahnen der neuen Bundesländer erfolgte erst mit dem Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau Nr. 36/1994 vom 8. Dezember 1994 des Bundesministeriums für Verkehr, veröffentlicht im Verkehrsblatt Heft 4 1995 -Amtlicher Teil-. Dieses Rundschreiben nimmt auch Bezug auf die 1990 in Einzelschreiben bekanntgemachte Einbeziehung der ehemaligen DDR-Autobahnen in das bundesdeutsche Nummerierungssystem. Autor: H. Schneider, Naumburg (Saale), 2012; 10/2016; 7/2021 |